Mittwoch, 31. Oktober 2007

Kalte Füsse oder der soziale Wert eines autoritären Regimes

Die Aussentemperatur ist unter 5 Grad gefallen und ich sitze hier und friere noch etwas mehr an die Füsse als auch schon. Wie bereits berichtet, wird bis am 15. November (als noch mehr als zwei Wochen lang!) nicht geheizt. Dies ist eine von oben verordnete Umweltschutzmassnahme, so wie sich die radikaleren Ökologen in Europa vorstellen. Hier funktioniert so etwas besonders gut, weil es kaum Einfamilienhäuser gibt und die Massnahme damit gut zu kontrollieren ist. Als Liberaler bin ich kein grosser Freund von Verboten, sondern würde normalerweise irgend eine Form von Lenkungsabgabe bevorzugen. Um wirksam zu sein, muss eine solche Abgabe einen guten Teil der Heizkosten ausmachen. Dies würde hier bedeuten, dass Leute (ohne gross eine Wahl zu haben - schliesslich wird das Haus entweder geheizt oder nicht) entweder frieren, oder einen beachtlichen Teil ihres nicht so beachtlichen Einkommens in eine Lenkungsabgabe stecken. Das hat wenig mit Freiheit, und noch weniger mit Gerechtigkeit zu tun. Das generelle nicht-Heizen ist unter dem Standpunkt der Gleichheit (und schliesslich ist man in China ja manchmal doch kommunistisch) sicher zu bevorzugen. Und an die Füsse frieren ist ja im engeren Sinne keine Einschränkung meiner Freiheit.

Contre coeur muss ich also eingestehen, dass das Heizverbot - wenn man mal die Prämisse, dass hier die Schadstoffe drastisch reduziert werden müssen anerkannt hat - eine sinnvolle Massnahme ist. Da die Luft wirklich sicht- und fühlbar dreckig ist, ist so etwas auch einfach zu kommunizieren. Wie steht das in der Schweiz, wo Luft und Wasser normalerweise schon fast unanständig klar sind? Wie wird klar, dass der Klimawandel ebenso drastische Massnahmen erfordert (wobei das in der Schweiz komfortabler geht - alles auf Minergie umzurüsten ist zumindest denkbar und gibt keine kalten Füsse)? Verbote (und auch Abgaben) sind in einer Demokratie viel schwerer einzuführen und werden gerne mit Ausnahmen durchlöchert, was sie weder gerecht noch wirkungsvoll macht. Und doch ist gerade im Umweltbereich das demokratische das bessere Modell, denn erst wenn ein gewisser Konsens herrscht, jeder Einzelne einsieht, dass etwas getan werden muss, handelt er nicht nur nach dem Buchstaben der Vorschriften, sondern im Sinn der Massnahmen. In Beijing sind sich alle einig, dass etwas gegen die schlechte Luft getan werden muss. Von der Regierung. Und alle wollen ein Auto, weil das gibt ihnen ein Stück Unabhägigkeit. Auch von der Regierung, die ja auch die Busfahrpläne macht. Erst ein Gefühl von Verantwortung und auch von Bedeutung (1 unter 17 Millionen nicht einfach zu vermitteln) macht die eigene Entscheidung auch als Entscheidung fürs Gemeinwohl erfahrbar.

So. Genug moralisiert. Um die Welt zu retten ein bisschen frieren und dann zum Spass eben mal nach Europa fliegen, so inkonsequent ist der Verfasser. Es folgt keine Rechtfertigung.

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