Donnerstag, 7. August 2008

Nanjings Stadtmauer

Und nochmal etwas Reiseberichterstattung aus Nanjing. Am zweiten Tag standen das südliche Stadttor, der Konfuziustempel, der Präsidentenpalast und die Bibliothek auf dem Besuchsprogramm. In Nanjing ist die Dichte geschichtsträchtiger Orte ähnlich hoch wie in Beijing, diese repräsentieren aber oft eine andere Seite oder Epoche als die Gegenstücke in der nördlichen Hauptstadt. Die Struktur Nanjings ist geprägt von den frühen Ming, die 1368 ausgehend von einer Bauernrevolte die mongolischen Nachfahren Dschingis Kahns (die Yuan-Dynastie) enttrohnten, und die Hauptstadt von Beijing nach Nanjing verlegten und die Stadt mit einer enormen, 33 km langen Stadmauer schützten. Wie viel der herrschaftlichen Architektur Chinas zeugt auch diese Mauer vor der riesigen Angst, die Chinas Herrscher (oft zu recht) vor der eigenen Bevölkerung hatten; Nanjing ist im Gegensatz zu Beijing tiefes Chinesisches Herzland. Die Tatsache, dass die Mauer bis heute zu 75% erhalten geblieben ist, gibt Nanjing eine menschliche Grösse; auch hier im Gegenteil zu Beijing, wo vieles gebaut wurde, um den einzelnen möglichst klein erscheinen zu lassen.

City Wall (by niklausberger)

Die Stadtmauer samt Wassergraben

Zhonghua Gate (by niklausberger)

Das äussertste Tor der Zhonghua-Toranlage

Zhonghua Gate (by niklausberger)

Zhonghua-Toranlage vom äussrsten Tor aus - dahinter befinden sich drei weitere Tore mit je einem Hof dazwischen. Die Torhäuser (die Aufbauten mit den roten Lampions dran) wurden von den Japanern zerstört, von den Chinesen aber liebevoll aus Styropor (oder einem gleichwertigen Hartschaum ohne Markenschutz) rekonstruiert (kein Witz!). Die Dinger so festzumachen, dass man sie nicht nach jedem Gewitter aus dem Stadgraben fischen muss, war wohl gar nicht so einfach...

Zhonghua Gate (by niklausberger)

Blick durch die Reihe der Tore

Zhonghua Gate (by niklausberger)

Auf dem Schild steht "Huge stones (for killing enemies)" - mit ca. 20 cm Durchmesser sind es sicher nicht die grössten Steine, die ich bisher gesehen habe, für den Zweck aber sicher gross genug...

Zhonghua Gate Plastic Guard (by niklausberger)

Und so sahen die Plastiksoldaten aus, die die Steine den Feinden um die Ohren geworfen haben. Nur zwanzig Jahre später spielte sich auf der anderen Seite des Erdballes ja ganz ähnliches ab; die mutigen Glarner vertrieben die fremden Herrscher der Habsburg-Dynastie (und gründeten gleich mehrere Glarner Dynastien, die es zwar nie zum Kaisertum brachten, aber zum Teil bis heute fortbestehen - z.B. in mir). Zum Schutze errichteten sie dann auch eine Mauer (die Letz bei Näfels, kürzer und vor allem weniger hoch als die Stadtmauer Nanjings, aber die Glarner waren ja auch nicht so viele). Und 1388 warfen sie dann auch "huge Stones for killing enemies", wobei anzunehmen ist, dass da auch wirklich grosse Chempen mit dabei waren. Im Gegensatz zu den Ming konnten die Glarner Ihr territorium bis heute fast durchgehend frei von Fremdherrschaft halten; die Letz erhielt vo ca. 70 Jahren das letzte Upgrade, einen Wassergraben und etwas Toblerone, der letzte Schritt im Freiheitskampf war aber wohl die Abspaltung von der Zürcher SVP.
Die Ming sahen auch schon früh Probleme auf sich zukommen und zügelten bald nach Beijing, wo sie die nördliche Grenze besser im Griff hatten...

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