Donnerstag, 19. Juni 2008

Kultur und Rumsaufen und Kultur des Rumsaufens?

Nun bin ich ja schon eine ganze Weile in Beijing (und habe schon wieder einen Blogeintrag mit "nun" begonnen). In meinen frühen Posts habe ich des öfteren die geringe Durchmischung von Chinesen und Laowais beklagt. Das hat sich in letzter Zeit nicht geändert; nur bin ich irgendwie Teil (Opfer mag ich nicht sagen) dieses Apardheitsystems geworden.
Aber zu erst ist mal auf der positiven Seite zu vermerken, dass die Jungs, mit denen ich zusammen arbeite, richtig gut drauf sind. Wir haben uns unterdessen genug aneinander gewohnt, dass wir uns problemlos verstehen (was auch bei gleicher Muttersprache nicht selbstverständlich ist), sinnvoll diskutieren können und niemand Angst hat, mich was zu Fragen oder auf einen Fehler meinerseits hinzuweisen. Das war aber auch ein halbes Jahr Arbeit...
Andrerseits ist mein Abend- und Wochenendprogramm (ausser dem Chinesischunterricht) doch ziemlich "westlich" ausgerichtet. Und bei vielen anderen ist es noch schlimmer - während an meiner Geburtstagsfeier immerhin drei Chinesen (na ja, einer ist Malaysia-Chinese) teilgenommen haben, tauchen an den üblichen Parties kaum Einheimische auf. Überhaubt kommen die meisten Beziehungen zwischen Westlern und Chinesen entweder vom Arbeitsplatz her oder sind Ehen (wobei es sich fast immer um chinesische Frau und westlichen Mann handelt). "Normale" Freundschaften sind selten. Dies wirft einen Haufen Fragen auf (wie kommen die Ehen zu Stande - alles Sekretärinnen? Sind wir zu verschieden? Ist irgendwer rassistisch? Ist man zu faul?). An allem ist ein bisschen was dran, aber darauf möchte ich nicht im Detail eingehen, sondern etwas über die vielbeschworenen Kulturunterschiede sagen.
Der cultural divide besteht wohl aus zwei verbundenen Gräben; einerseits - und das ist mir erst hier klar geworden - spielt der kulturelle Hintergrund, die Bildung eine doch ziemlich grosse Rolle und andrerseits ist das Ausgehverhalten der Chinesen mit dem unseren nur beschränkt kompatibel. Die Idee, mit Freunden was Essen zu gehen und nachher in die eine oder andere Bar was trinken zu gehen, ist bei den Chinesen nicht so verbreitet; es ist schon mal fast unvorstellbar, dass man die Rechnung fürs Essen aufteilt - und damit muss der Chinese, der so was anreisst, es auch alles bezahlen. Gerade für Doktoranden liegt so was eigentlich nicht drin. Dann gibt es auch die unschöne Angewohnheit, die Tafel nach dem letzten Bissen sofort aufzuheben, so ein bisschen Zusammensitzen ist selten. Und um gross Einladungen zu Hause zu veranstalten, sind die Chinesen oft nicht ausgerüstet (von den Achterschlägen der Doktoranden ganz zu schweigen). Trinken um des Genusses willen ist hier auch nicht so verbreitet (bei dem Schnaps kann man das auch niemandem verübeln), meistens läuft es auf ein Wetttrinken heraus. Das kling jetzt alles ziemlich negativ, sollte es aber nicht. Ich wäre der Letzte, die
chinesische Esskultur herabzuwürdigen. Nur sind viele Dinge so angelegt, dass man da als Aussenstehender sehr, sehr schwer reinkommt. Natürlich kann man die Chinesen von Zeit zu Zeit einladen, aber zu oft geht auch das nicht, weil dann kommen sie unter Druck, irgendwie gleichzuziehen.
Das ist also das Eine - und andrerseits wird einem erst, wenn das plötzlich nicht mehr selbstverständlich ist bewusst, wie riesig unser Rucksack aus Abendländischer Kultur eigentlich ist. Damit meine ich nicht, dass wir alle Homer, Shakespeare, Schiller und le Carré gelesen haben; aber wir haben eine Vorstellung von Odysseus, der Achillesverse, Romeo und Julia; können uns zu Sein und Nichtsein fragen, wissen, dass die Axt im Haus den Zimmermann erspart, der Starke am mächtigsten allein ist und dass Spione aus der Kälte kommen können. Wir haben nicht alle sämtliche Folgen von A-Team, Baywatch oder Monty Phytons Flying Circus gesehen, lieben es aber, wenn ein Plan funktioniert, bevorzugen einteilige, rote Badeanzüge und denken, dass Eric ein guter Name für einen Haustier-Heilbutt ist (ok, der ist jetzt etwas obskur). Grimms Märchen kennt eh jeder. All dies und vieles mehr, erlaubt es uns im Gespräch unzählige Abkürzungen mit Hilfe von Verweisen auf beidseitig Bekanntes zu nehmen. Wenn man hingegen immer den langen Weg nehmen muss (und dafür oft den Faden des Gesprächspartners bei seinen Abkürzungen verliert), ist auch ein durchaus nicht tiefsinniges Gespräch deutlich weniger ergiebig. Hoffnung gibt hier die Populärkultur (inkl. Sport) der letzten Jahre, die so globalisiert ist, dass sie alle Grenzen überbrückt; um so richtig tief zu sitzen braucht auch das aber wohl noch ein bisschen Zeit; das Wembley-Tor hat nun mal einen höheren metaphorischen Wert als das 0:0 von Frankreich und Rumänien.
Zusammenfassend, pauschalisierend und vereinfachend kann man also sagen, dass sich Hoch- und Populärkultur irgendwie auf uns alle abfärben und unsere Gesprächskultur (und wohl auch Trinkkultur) prägen. Und gerade wenn man vor allem auf der Suche ist nach Leuten, um ein bisschen zu quatschen, was zu trinken und einfach eine gute Zeit zu haben, so geht das irgendwie besser wenn man einiges gemeinsam hat; mit den Laowais ist das bei mir mehr als ich so dachte, bei den Chinesen ist es vor allem das gerne Tanzen, aber das ist ja schon mal ein guter Anfang.

Gerade weil es manchmal etwas harzt (meine Visumsgeschichte kommt wohl nächste Woche an dieser Stelle), lohnt es sich, längere Zeit in der Fremde zu verbleiben. Die Gelegenheiten, wo man das Gefühl hat, sein Gegenüber aus der Kentniss seiner Kultur heraus zu verstehen, sind so manches wert.

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