Letzten Sonntag habe ich zum ersten mal eine BES III Schicht geschoben (der erste Shiftee mit Naturlocken!). Zur Zeit nehmen wir zwar nur Cosmics (für Nichtphysiker: Wir messen Teilchen aus der kosmischen Strahlung, die wir umsonst kriegen, ohne den Beschleuniger zu bemühen), aber das läuft schon sehr gut; bei H1 hatte ich keine so ruhige Schicht wie die hier. Im Wesentlichen musste ich nur ein paar Temperaturen ins Logbuch schreiben, einmal hat sich ein Crate ausgeschaltet (wahrscheinlich das letzte am Bus, sind die selben Wiener-Dinger wie beim FTT). Auslese und Trigger gehen wie von selbst (sind natürlich auch nicht besonders gestresst mit den Cosmics) und werden von irgend einem Experten aus der Ferne gesteuert...
Der folgende Abschnitt enthält Fussnoten für Nichtphysiker:
Wenn wir die Rekonstruktions- und Analysesoftware1 nicht komplett verhauen, so bin ich ich ziemlich optimistisch2, dass wir nicht nur vor dem LHC Daten haben3, sondern auch vorher eine Messung publizieren4. Und da es ja keine fundamentalen Skalare5 (aber wohl jede Menge aus Quarks und Gluonen6) gibt7, haben wir vielleicht sogar vor dem LHC eine Entdeckung8. Na ja, vielleicht nicht ganz so weltbewegend wie die Tatsache, dass es keine Higgsbosonen gibt9, aber das einzusehen wird noch eine Weile dauern10.
Auf jeden Fall kommt eine spannende Zeit auf uns zu, die hoffentlich voller Überraschungen sein wird. Ich denke, es ist auch eine gute Zeit, um Wetten abzuschliessen - eine Flasche "Great Wall" gegen das Higgs, irgendwer?
- Es brauch bei so einem Experiment wie dem unseren ziemlich viel Software, um aus den Signalen, die aus dem Detektor rauskommen, eine Messung, wie z.B. die Masse eines Teilchens, zu extrahieren. Wo viel Software ist, geht sehr viel schief - die Frage ist nur, ob wenig genug, um doch Messungen zu ermöglichen.
- Es ist gefährlich, wenn ich optimistisch bin. Ich war auch mal überzeugt davon, meine Doktorarbeit in drei Jahren fertig zu haben...
- Das ist ziemlich sicher; bei uns sind Beschleuniger und Detektor fertig und haben einzeln schon gezeigt, dass sie funktionieren. Wir müssen also jetzt nur noch den Detektor ein bisschen verschieben, und hoffen, dass die Beschleunigerleute wissen, was sie tun (die Chancn stehen gut, sie haben alles schon mal ausprobiert...). Beim LHC sind weder Beschleuniger noch Detektoren ganz fertig, und es wird noch bis im Juni dauern, den Beschleuniger auf Betriebstemperatur abzukühlen.
- Diese Behauptung ist deutlich gewagter - bei BES-Energien wird schon seit Jahrzehnten gemessen, wir brauchen sehr viele Kollisionen um etwas neues machen zu können. Beim LHC ist das ganz anders, da ist alles was man sieht irgendwie neu ("J/psi production at 14 TeV" ist irgendwie sexier als "J/psi production at 3.097 GeV", aber nicht unbedingt effizienter - sorry für den Insiderwitz).
- Skalare sind Teilchen, die keinen Spin (keine Eigenrotation) haben, und damit auch keine Rotationsachse oder sonstwie ausgezeichnete Richtung. Nun gibt es solche Teilchen, die aus Teilchen mit Spin zusammengesetzt sind, nicht-zusammengesetzte Skalare hat man bisher noch nie gesehen, nur postuliert. Das bekannteste postulierte skalare Elementarteilchen ist das Higgs.
- Nun ist es so, dass man am LHC fundamentale Skalare, wie das Higgs zu sehen hofft, während wir hier sicher sind, dass wir zusammengesetzte Skalare sehen werden (die hat man schon oft gesehen), vielleicht sogar ein paar neue davon finden.
- Nun, so ca. 98% aller Teilchenphysiker glauben, dass es fundamentale Skalare gibt. Irgend so ein bärtiger Theoretiker (weiss noch jemand, wer das war?) hat am DESY aber einmal richtig darauf hingewiesen, dass sich bisher alle Skalare, die als fundamental postuliert wurden, als zusammengesetzt herausgestellt haben, sobald man die Theorie richtig verstanden hatte.
- Man muss wissen, dass es sehr, sehr viele zusammengestzte Teilchen in der von uns betrachteten Energieregion gibt, da könnte schon mal das eine oder andere übersehen worden sein.
- Siehe Fussnote 7 - ich kann auch nicht so recht an fundamentale Skalare glauben, und damit auch nicht ans Higgs, das nun mal ein fundamentaler Skalar ist. Häng vielleicht auch damit zusammen, dass ich auf den ganzen diffraktiven Konferenzen einige sehr merkwürdige Theoretiker kennengelernt habe...
- Zu zeigen, dass es ein Teilchen nicht gibt ist schwieriger, als zu zeigen, dass es existiert - während man für letzteres "nur" am richtige Ort suchen muss, muss man für ersteres überall gesucht haben.
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