Montag, 31. März 2008

Ei von innen

Gestern Abend war ich mit ein paar Kollegen zum ersten mal im Ei (auch bekannt unter dem offiziellen Namen "China National Center for the Performing Arts" und auf Chinesich heisst das Ding "Nation Grand Theater"). Wir hatten Tickets für das China National Symphony Orchestra mit Michel Plasson als Dirigent. Leider darf man keine grossen Taschen mit reinnehmen (macht ja Sinn) und meine Kameratasche wurde als gross eingestuft, drum hier keine Photos sondern eine kurze Beschreibung. Es lohnt sich aber, das Ding selbst anzuschauen - habe ich schon erwähnt, dass ich hier ein freies Gästezimmer hab? Vor dem grossen Teich geht es treppab in einen Tunnel, der mit Glasdach unter dem Teich ins eigentliche Ei führt. Wegen der ziemlich unglücklichen Beleuchtung kommt im Tunnel keine Unterwasserstimmung, eigentlich gar keine Stimmung auf. Das ändert sich, wenn man in die gigantische freitragende Halle des Ei´s tritt. Darin steht in der Mitte frei die Oper, links der Konzertsaal und rechts das Sprechtheater. Die Decke ist mit dunklen Holzpaneelen verkleidet, mit einer der schönsten Aspekte des ganzen Ensembles. Die Böden bestehen aus riesigen Steinplatten, die wohl auch die geologische Vielfalt Chinas illustrieren sollen, hier wäre weniger mehr gewesen. Der Konzertsaal selbst ist in weiss und leichten Grautönen gehalten, ausser um das Orchester rum, wo dunkles Holz vorherrscht. Offensichtlich wurde viel Wert auf die Akustik gelegt (drum auch gelegntliche Vergleiche zum KKL in Luzern), der Saal ist komplett von der Aussenwelt isoliert und die Decke errinert mit ihren unregelmässigen Strukturen an eine Kletterwand. Im Unterschied zum KKL gibt es im Ei keine Echokammern, die riesige Orgel nimmt die komplette Stirnseite ein. Die Fronten der Ballustraden und Säulen sind nicht strukturiert und auch die grosse Glasscheibe der Präsidentenloge (?) wird den Ton nicht sehr diffus zurückwerfen. Dafür sieht die Wand hinter dem Orchester mit ihren hölzernen Stufen sehr gut aus und errinert nicht an eine Sprossenwand wie in Luzern. Der Canopy über dem Orchester ist aus Glas, was gut aussieht aber die Frage aufwirft, wie das akustisch mit Holz vergleicht.
Der französiche Dirigent gab den auch dem Programm eine dezidiert französische Note mit Werken von Debussy, Bizet und Berlioz. Das Symphonieorchester spielte auf hohem Niveau, ich hätte das eine oder andere Mal etwas mehr Gefühl der Präzision vorgezogen. Für meine ungeübten Ohren war die Akustik auf hohem Niveau, auch wenn das Querflötensolo bei Debussy vielleicht nicht ganz so hell und klar rüberkam wie in Luzern.
An der Eröffnungsfeier des Ei´s hatte das Publikum ziemlich schlechte Noten gekriegt; die ganzen Parteioberen sollen die ganze Zeit gequatscht haben und seinen zu einem grossen Teil in der Pause nach Hause gegangen. Das Mittelstandspublikum gestern war da deutlich besser; keine Mobiltelephone in zwei Stunden (und das ist in China beilibe keine selbstverständlichkeit), nur gelegentlich konnte man höhren, dass ich nicht der einzige bin, der unter dem Ende der Heizperiode leidet. Und dann gab es noch ein paar mehr liebenswürdige Details, wie das zwischen den Sätzen von Symphonien herzhaft geklatscht wird und das beim ersten Fortissimo von Berlioz drei Damen aus der ersten Reihe flüchteten.
Ich habe den Abend auf jeden Fall sehr genossen und werde hoffentlich bald wieder hingehen.

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