

Es ist wieder eine Woche vergangen und wir wissen immer noch nicht wirklich mehr zu den Vorgängen in Tibet. Was Webaktivisten aller Couleur nicht davon abhält "Free Tibet!" zu rufen oder aber Tibet zu chinesischem Herzland zu erklären. Der Olympiaboykott wird auch immer wieder hochgebracht. Ich möchte hier ein paar Fragen aufwerfen zur Haltung Beteiligter und Unbeteiligter, insbesondere der "Westler" und den dahinterstehenden Prinzipien. Nun, ich möchte das Geschehene sicher nicht verharmlosen, zwischen 20 und 150 Menschen haben ihr Leben verloren und jeder von ihnen ist einer zu viel, aber ich werde hier nicht China kritisieren, das haben andere schon besser und ausführlicher getan.
Denn nicht hinterfragen muss man die Absichten der Chinesischen Seite (den Status Quo aufrechterhalten) und dass die Methoden dazu nicht nur Propaganda aus der Mottenkiste sondern auch brutalstes Durchgreifen beinhalten, ist ebenfalls klar.
Bei den Exiltibetern gibt es welche, die einen unabhänigen Staat Tibet fordern (in welcher Form und mit welchem Territorium ist offen) und andere, darunter der Dalai Lama, die "mehr Autonomie" fordern.
Der Rest der Welt fordert, dass China mit dem Dalai Lama verhandelt (dies ist richtig und China würde sich damit auch einen Gefallen tun) und dazu eine Menge nicht so spezifischer Forderungen zu den Themen Religionsfreiheit und weitere Menschenrechte, aber auch ein unabhängiges Tibet taucht hier gelegentlich auf.
Hier zu alledem ein paar Fragen, die meist unter den Teppich gekehrt werden
Nun, ich hoffe mit diesen Fragen ein wenig zum Hinterfragen der so "selbstverständlichen" westlichen Positionen angeregt zu haben. Denn gerade wenn wir Europäer die Moralkeuele schwingen, müssen wir uns unserer Prinzipien sicher sein. Und hier meine ich eben gerade nicht, dass wir wegen der Kreuzzüge oder der Inquisition oder dem 2. Weltkrieg keine moralische Authorität hätten. Ich sage auch nicht, dass in Asien alles anders ist, denn Menschen sind Menschen. Grundwerte können nicht relativ sein, gerade drum sind sie Grundwerte. Wenn wir aus den Katastrophen der Europäischen Geschichte etwas gelernt haben, und nicht nur glauben, sondern wissen, dass die Todesstrafe falsch ist, dass Folter unter keinen Umständen zulässig ist, dass Pressefreiheit ein sehr hohes Gut ist oder dass Kirche und Staat zu trennen sind, so müssen wir auch immer mit gleichem Nachdruck dafür einstehen, ob jetzt China, die USA, Russland oder Zimbabwe, Buddhisten, Muslime, Juden oder Christen betroffen sind.
Hier noch die Quittung (fapiao) zum Beweis, inkl. rotem Stempel:
Wie Du, lieber Leser, vielleicht schon gemerkt hast, war das letzte Wochenende ziemlich Blogfrei. Es war viel los, und im Zweifel bevorzuge ich das Erlebnis dem Erlebnisbericht. Nun, kurz zusammengefasst, was sich so alles ereignet hat die Tage...
Freitag Abend war ich bei einem Funk-Konzert mit grosser Band (sind wohl so 15 Leute gewesen, es war etwas dunkel). Ein netter Club, gute Musik und lustige Leute - geh ich wieder mal hin; Cuba Libre für 25 Yuan ist etwas gefährlich, aber man kann ja ausschlafen.
Samstag hab ich mal wieder versucht, Chinesisch zu schreiben; Lesen und Schreiben wird immer wichtiger, im neuen Band des Lehrmittels gibt es nun keine Umschrift mehr. Das Lesen konnte ich anschliessend gleich in die Praxis umsetzten, ich habe das erste Mal richtig gekocht und musste vorher noch einiges einkaufen. Am Schluss habe ich dann aber meistens doch dasjenige Produkt gekauft, das auch Englisch angeschrieben war.
Sonntag habe ich dann meine Küche erstmals richtig ausgetestet und einen Viergänger für ein paar Freunde zubereitet. Ich brauche nochmals ein paar mehr Schüsseln und Teller... Aber zumindest habe ich niemanden vergiftet; von der Qualität und Auswahl von Fleisch, Gemüse und Fisch bin ich sehr positiv überrascht.
Montag Abend schliesslich habe ich mir ein paar Frames Snooker im China Open angetan. Zuschauermässig war nicht allzu viel los, aber es gab durchaus den einen oder anderen guten Moment auf den Tischen.
Ansonsten sind mir zwei gute Artikel in der Sonnatgs-NZZ aufgefallen, zu Biotreibstoffen und Nahrung und zu Tibet. (Ich weiss allerdings nicht, wie lange die Links gültig bleiben). Und das olympische Feuer wurde entzündet, habe ich gestern im Taxi am Radio so halb mitbekommen.
Am wichtigsten: Der Blog funktioniert wieder, diesmal inklusive Kommentare!
Nach den neuesten Unruhen in Tibet habe all jene Europäer, die schon immer wussten, was richtig ist und was falsch, wieder einmal eine Gelegenheit gefunden, das dem Rest der Welt mitzuteilen. Wenn man sich Leserkommentare auf NZZ- oder auch Spiegel-Online anschaut, wo als allererstes einmal gefordert wird, dass man auf keinen Fall diesen Sommer in Beijing Fussball oder Beachvolleyball spielen dürfe. Nun ist es nicht so, dass ich hier zum grossen Fan der KP werden würde, oder dass ich alles, was da so läuft nett finde; vieles weiss ich auch nicht - ganz allgemein scheint niemand so genau zu wissen, was in Lhasa wirklich gelaufen ist. Aber alle wissen, dass die Chinesen an allem Schuld sind und man deshalb die Olympischen Spiele boykottieren muss (und nicht etwa Dörrbohnen Made in China). Es war ja schon immer hilfreich, mit Leuten, mit denen man nicht einer Meinung ist, einfach nicht mehr zu sprechen.
Um gegen diesen unsäglichen Distanzchauvinismus zu protestieren, habe ich gestern ungeplanterweise einen politisch inkorrekten Samstag abgehalten; wie schlimm das alles scheinen muss fällt mir jetzt erst so im Rückblick auf; was am allerschlimmsten ist, könnt Ihr, liebe Leser in der Abstimmung entscheiden
(Abstimmung beendet...)
Nach langem hin und her über die wünsch- und machbarkeit eines solchen Schrittes, aber ohne das ich mich darum bemüht hätte, wurde heute Abend zwischen sieben und acht mein Klo ausgetauscht. Das soll wohl auch davon ablenken, dass der Kühlschrank noch nicht da ist. Wie auch immer, der Austausch ging erstaunlich schmutz- und schmerzlos von sich und ich muss jetzt nicht mehr Angst haben, dass der überlaufende Spülkasten mein Bad unter Wasser setzt (was bisher gelegentlich vorkam). Da auch die anderen Klos im Gebäude getauscht wurden, ist jetzt auch das beständige, tropfende Geräusch aus der Falleitung im Bad weg. Das wird hier noch zu einem Luxusappartment, wenn das so weiter geht - ich warte immer noch auf anmeldungen für Olympia...
Das alte Klo auf dem Weg raus. Die Trennung vom Frotteeüberzug fiel besonders schwer.
Es wird geflext...
Das noch jungfräuliche neue Klo bei mir im Korridor
Das neue Klo, wo es sein soll
Wenn alles gut geht, folgen hier keine Erfahrungsberichte. Nach diesem Einblick in meine Initmsphäre nun noch etwas erbauliches, eine Flickr-Slideshow mit Photos von Schnee.
Letzten Sonntag habe ich zum ersten mal eine BES III Schicht geschoben (der erste Shiftee mit Naturlocken!). Zur Zeit nehmen wir zwar nur Cosmics (für Nichtphysiker: Wir messen Teilchen aus der kosmischen Strahlung, die wir umsonst kriegen, ohne den Beschleuniger zu bemühen), aber das läuft schon sehr gut; bei H1 hatte ich keine so ruhige Schicht wie die hier. Im Wesentlichen musste ich nur ein paar Temperaturen ins Logbuch schreiben, einmal hat sich ein Crate ausgeschaltet (wahrscheinlich das letzte am Bus, sind die selben Wiener-Dinger wie beim FTT). Auslese und Trigger gehen wie von selbst (sind natürlich auch nicht besonders gestresst mit den Cosmics) und werden von irgend einem Experten aus der Ferne gesteuert...
Der folgende Abschnitt enthält Fussnoten für Nichtphysiker:
Wenn wir die Rekonstruktions- und Analysesoftware1 nicht komplett verhauen, so bin ich ich ziemlich optimistisch2, dass wir nicht nur vor dem LHC Daten haben3, sondern auch vorher eine Messung publizieren4. Und da es ja keine fundamentalen Skalare5 (aber wohl jede Menge aus Quarks und Gluonen6) gibt7, haben wir vielleicht sogar vor dem LHC eine Entdeckung8. Na ja, vielleicht nicht ganz so weltbewegend wie die Tatsache, dass es keine Higgsbosonen gibt9, aber das einzusehen wird noch eine Weile dauern10.
Auf jeden Fall kommt eine spannende Zeit auf uns zu, die hoffentlich voller Überraschungen sein wird. Ich denke, es ist auch eine gute Zeit, um Wetten abzuschliessen - eine Flasche "Great Wall" gegen das Higgs, irgendwer?
Gerüchteweise sollen als nächstes die Parkplatzgebühreneinkassierer mit Goldhasenkostümen ausstaffiert werden.
Ich habe meine Zoomlinse wieder, inklusive neuer Blendenelektronik. Hatte auch gutes japanisches Essen, ein paar Drinks und war Salsa tanzen (ohne yu behaupten, dass ich das kann). Wie Raphael vorausgesagt hat, habe ich also unterdessen hier ein gany gutes Leben und etwas weniger Zeit zum bloggen (und Bundesräte sind hier auch schon lange keine mehr vorbeigekommen...). Dassoll mich aber nicht hindern, ein paar Photos von gestern und heute zu posten. Morgen habe ich übrigens meine erste Detektorschicht hier...
Die Schichtliste - alles chinesische Namen, plus einmal der meinige...
Eine interessante Fassade; ob das von innen her so toll ist?
Restaurants im dunkeln...
Und wieder mal das CCTV-Building. Die Stahlkonstruktion ist nun fast fertig...
Und wenns noch etwas mehr Nacht-Bilder sein sollen, hier eine Slideshow vom Poly Group Building.
Nachdem ich mehrmals nachgefragt hatte, was denn mit meinem versprochenen Kühlschrank sei, wurde nun heute mein 空调 (kongtiao = Air-Conditioner) geliefert. Da ich die Installation beaufsichtigen musste (um Wasser, Lumpen und weiteres zur Verfügung zu stellen und um die Schäden an der Wohnung in Grenzen zu halten), aber nicht wirklich etwas zu tun hatte, habe ich das Ganze im Bild festgehalten. Hier also eine Chinesische Kleinbaustelle als Photoreportage - oder für die von Euch, die selbst mal sowas machen wollen, als Bauanleitung.
Man nehme ein massives, aber nicht allzu neues Haus (hier der Eingang)
Lege sich ausreichend Werkzeug bereit - geschweisst wurde am Ende dann aber nicht. Bei genauem hinschauen erkennt man einen Karbinerhaken am Gaskessel - wozu der wohl dient? Mehr dazu später.
Man besorge sich ein Becken voll Wasser - erste Aufgabe für den Bewohner - um damit den Bohrer zu beschicken.
Ach ja, Strom brauchts auch. Hier leider nicht zu erkennen, aber der eine Pol ist ein Nagel und der andere eine Schraube - damit man die Polarität nicht verwechselt?
Bohren - dauert ein Weilchen, bei fast 30cm Beton.
Auch mal nachkühlen; Trefferquote kann noch verbessert werden.
Teil des Bohrkerns - das Haus scheint gut armiert zu sein.
Das fertige Loch - wie fast immer bei Löchern ist auch dieses eindrücklicher, wenn man weiss, wie viel Arbeit drin steckt (nicht mehr drin steckt?).
Halterung anbringen, Schläuche verlegen, Rohre zurechtbiegen.
Noch mehr biegen.
Und dann die Unit draufstellen und anschliessen. Mal sehen wie lange es dauert, bis die jemand abschraubt - man kommt so ebenerdig doch ziemlich gut ran...
Werkzeug am Fahrzeug verstauen. Dafür ist übrigens auch der Karabiner an der Gasflasche (und das zweite Fahrrad).
Das Gegenstück auf der Innenseite - von der Grösse her könnte es auch ein Kühlschrank sein...
Es gibt übrigens auch in China Energieklassen für Elektrogeräte. Dieses hier sagt gross und rot, dass man es nur bei extremen Temperaturen einsetzen sollte...
Dafür wurde das Verpackungsmaterial schon während der Montage vorbildlich sortiert und zerlegt. Mit welcher Beigesterung sich die alte Frau auf den Karton gestürtzt hat, mit welcher Hingabe sie die Zeitung, mit der ich den Boden abgedeckt hatte wieder glattstrich - es ist manchmal sehr schmerzhaft zu sehen, wie schlecht es manchen Leuten hier materiell geht. Und wie nett diese sein können - so viele xiexies wie von dieser Dame habe ich in Beijing noch nie gehört. Für Altkarton...
Am Samstag war ich wie üblich im Chinesischuntericht. Weil ich ausnahmsweise mal drei Zeilen am Stück nach einigen malen lesen auswendig wiederholen konnte, brach meine Lehrerin in gröbere Begeisterungsstürme aus. An dem Punkt war ich mit den anderen beiden Lehrerinnen auch schon gewesen. Auch längere Diskussionen vermögen hier niemanden zu überzeugen, dass Fähigkeiten im Auswendiglernen und Cleverness nicht unbedingt miteinander zu tun zu haben. In China ist nun mal der Standard, an dem gerade auch Kinder gemessen werden, wieviele Zeichen sie beherrschen - und da ist definitiv Auswendiglernen gefragt (und mit einigen zehntausend Zeichen kann man sich dabei auch bis ins hohe Alter hervortun).
Anschliessend liess ich mir mal wieder die Haare schneiden, sie begannen physisch den Durchblick zu stören. Während der Stunde im Coiffeursessel mit ausführlicher Kopfmassage konnte ich richtig entspannen und die letzten Überreste des leichten Katers vom Freitag hinter mich bringen; das letzte Glas Weisswein war wohl wieder mal eines zu viel gewesen... Damit war ich denn auch wieder in Stimmung, um mich aufs Abendprogramm, den Besuch im russischen Restaurant (nicht meine Idee) einzustellen. Unterwegs dahin gabs noch ein paar Bilder von der zweiten Ringstrasse und anliegenden Gebäuden im dunkeln.
Poly Group Building - find ich sehr gelungen
Fu Hua Mansion - eine ziemliche Katastrophe (war damals 97 ganz neu...)
Mehr Verkehr - irgendwo müssen ja all die Autos auch hin.
Ach übrigens: Wieso gibt es keine erste Ringstrasse? 1990 haben die Chinesen sie an Lubbock, Texas verkauft. Sie wurde komplett abmontiert, verschifft und in Texas wieder aufgebaut. Dort ist sie jetzt unter dem Namen Buddy Holly Memorial Round-Drive bekannt. Sagen zumindest altgediente Expats...