Sonntag, 4. November 2007

Selbstdisqualifikation

Gestern war ich also auf der Botschaft und Bundesrat Blocher war auch da. Im Rückblick bin ich froh, dass ich keine äusserlichen Anzeichen des Protestes getragen habe, denn unser Magistrat hat sich gründlich selbst demontiert, wie es kein schwarzes Schaf gekonnt hätte. Bisher war ich ja eigentlich der Meinung, Blocher sei zwar auf dem falschen Dampfer, aber alles andere als blöd. Ich bin mir nicht mehr so sicher. Die Ansprache war - das muss man ihm lassen - kurz. Aber erstens mal finde ich es etwas frech, vor einem sehr gemischten Publikum (zwei Drittel Schweizer, ein Drittel Gäste und angeheiratete, bei den Schweizern ein überdurchschnittlicher Anteil Romands und Tessiner), die meiste Zeit Dialekt zu reden, dazwischen das aus zahlreichen Fernsehsendungen bekannt Deutsch mit starkem Lokalkolorit und dann noch etwas abgelesenes Englisch, das zwischendurch kaum als solches zu erkennen war. Der Inhalt war grösstenteils anekdotisch, sinngemäss: ich habe viel Geld verdient, weil jeder Chinese mal ein Hemd aus meinen Kunstfasern gekauft hat (nicht gesagt: für Blocher schwitzen sogar die Chinesen), und die alte, als ich das erste Mal da war, haben mich alle angeschaut wie vom Mond Geschichte. Politisches gab es wenig, ausser dass er Stolz ist auf alle Schweizer, sogar wenn sie im Ausland sind und dass er den Chinesen gesagt hätte, das mit dem Umweltschutz würde sich schon einrichten, bei uns seien die Seen ja auch mal verschmutzt gewesen und jetzt seien schon viel zu sauber (die Umwelt in der Schweiz ist tatsächlich sauberer geworden, ohne dass sich Blocher darum gekümmert hätte, daraus aber zu folgern, dass es von selbst geschehen ist, zeigt schon eine gewisse Selbstüberschätzung). Die meisten Anwesenden, mit denen ich sprach, teilten meine Einschätzung des Auftrittes, meinten auch, beim Businessfrühstück - da ist man sich ja normalerweise in der Sache einig - sei der Auftritt auch alles andere als souverän gewesen. Von Doris Leuthards Rede (mit Diskussion!) vor zwei Monaten waren hingegen alle begeistert.

Genug gelästert, denn alles in allem war es ein sehr interessanter, angenehmer Abend. In den sehr Geschmackvollen Räumen der Residenz gab es ein hervorragendes Buffet, inklusive Schweizer Weisswein. Eine Menge junge Schweizer waren da, von Chinesischstudenten über Banker zu Ingenieuren usw. Ich dachte ja immer, ich sei da mit meiner Forschung schrägste Vogel unter den Auslandschweizern in Beijing, aber Techniker für eine isländische Beinprothesen-Firma ist auch nicht schlecht. Oder im Verkauf bei Microsoft zu arbeiten, wo man die Leute nicht dazu bringen muss, die Produkte zu benutzen (tun sie eh) ondern sie auch zu bezahlen. Ich kann mir gut vorstellen, mit dem einen oder anderen bald mal wieder etwas zu unternehmen - da waren so Ideen wie im Winter auf der Mauer wandern zu gehen...

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