Sonntag, 18. November 2007

Es gibt einen Plan

Heute wollte ich mir die Gegend südlich des Tiananmen-Platzes ansehen, da soll es laut diversen Führen noch Stücke alten Beijings geben. Nun ja, die Qiamen Dajie (Hauptstrasse nach Süden) wird gerade in eine Fussgängerzone umgebaut. An sich ein durchaus löblicher Ansatz. Es soll alles so im Stil vom alten China werden (nur etwas weniger Grau, mehr die Technicolor-Ausgabe) inkl. einer Strassenbahn (was ich nun nicht unbedingt mit China assoziere...). Um also lao Beijing wiederauferstehen zu lassen, muss natürlich irgend etwas weichen; und irgendwer scheint hier ja die die Bauten des sozialistischen Realismus vor allem Unbill zu schützen, es muss also ein Stück lao Beijing weichen. Es tut ja schon weh, mitanzusehen, wie die Siheyuans (Hofhäuser) den Wohnblocks weichen müssen - aber bei 15 Millionen Einwohnern und jeden Tag ein paar Tausend (Zehntausend?) mehr habe ich dafür ein gewisses Verständnis (das Verständnis hat die Form einer Dreizimmerwohnung in einem Wohnblock mit Zentralheizung, Toilette und einigen pseudoantiken Möbeln). Wieso dass man aber alte Häuser abreisst, um sie durch pseudoalte zu ersetzen, übersteigt mein Verständnis. Man ist gerade als Ausländer versucht zu rufen, tut das nicht - und vor allem nicht wegen mir! Und gerade hier läuft man wieder in die Falle der westlichen Selbstüberschätzung - das ganze ist schon auch für Touristen - aber vor allem für die aus China. Ganz abgesehen davon, dass wir Europäer, die wir unsere historischen Innenstädte - sofern noch vorhanden - entvölkert und mit Anwaltskanzleien, Banken und Versicherungen gefüllt haben, nun verlangen, dass man hier ja auch die Leute hundert Meter vom Stadtzentrum wohnen lässt - zu sozialen Mietzinsen natürlich. Es hat also alles iregndwie zwei Seiten, und ich bin sicher, dass das Resultat der Umbauten ziemlich ansprechend sein wird, und ich da auch gerne mal hingehe - nur schon, weil man sich nicht ständig vor dem Überfahrenwerden in acht nehmen muss. Bis zur Olympiade ist ja sicher auch alles fertig.

Alte Siheyuans hinter grauen Mauern

Ein hübscher Bauzaun (man beachte das Ming-Gemälde der alten Hauptstadt oben auf dem Zaun) verdeckt den Abriss dahinter

(Man entschuldige die schlechte Qualität) Zu sehen ist eine Zeichnung wie es werden soll. Der letzte Rest Laub in der Stadt verdeckt die Strassenbahn. Wichtig auch die Olympischen Logos (und die grossen Autos im Vordergrund).

Manchmal fragt man sich ja, ob das ganze einen Sinn ergibt, irgend einem Plan folgt. Die Antwort kann man sich in der Beijing Urban Planning Exhibition (netterweise gleich nebenan) geben lassen. In dieser grossen Ausstellung wird einem der Eindruck geben, dass irgendwer sehr genau weiss, wohin es mit dieser Stadt gehen soll - und das alles schon besser geworden ist, das wirklich grossartige aber noch kommt. Die Probleme (Verkehr, Umweltverschmutzung) werden durchaus nicht verschwiegen, doch auch hier wird alles besser. Als kritischer Naturwissenschaftler ist mir in dem ganzen ja etwas zu viel blaues Neonlicht und Multimedia und beruhigende Stimmen aus dem Off und Musik, die von Hans Zimmer sein könnte. Aber irgendwo zwischen dem grossen Modell der verbotenen Stadt und dem wirklich grossen Modell von Beijing schlug das Kind im Manne zu und ich begann wie wild, Beijing Miniature zu photographieren... Hier also die Stadtführung ohne den Raum zu verlassen.

Die verbotene Stadt in klein. Der Traum jedes Städteplaners: Riesig viel Platz, nur ein Bewohner auf den es ankommt und alles Fussgängerzone. Ach ja, und wie toll das alles geworden wäre, hätten die Qing schon Laser und blaue LEDs gehabt.

Das Herzstück der Sammlung - Beijing in klein (hier die nördliche Hälfte der Stadt)

Man kann den Saal auch verdunkeln und sich Beijing bei Night anschauen

oder sich vorstellen, wie Beijing in Rot (Rotlichtbezirk in der ganzen Stadt? Kulturrevolution? Die Chinesen als erste auf dem Mars?) aussehen würde. Nun zu den Highlights..

Der Westbahnhof. Bei meinem ersten Besuch 1997 gerade fertiggestellt. Schon damals mit einer riesigen U-Bahn Station. Nächstes Jahr dann auch mit U-Bahn Anschluss.

Der geplante Südbahnhof. Auch nicht klein, und da fährt die U-Bahn glaub ich auch schon hin...

Die Gegend um die Seen herum. Das graue Gewusel will uns sagen, dass hier Hutongs und Siheyuans weiterhin ihren Platz haben.

Der Olympiapark. Von den neuen Stadien gibts auch noch grosse Modelle, mit Beleuchtung!

Das National Stadium mit roten LEDs. In der ganzen Ausstellung werden die Namen von ausländischen Architekten nicht ein einziges Mal genannt, obwohl detailliert auf die Designs eingegangen wird. Was die beiden Professoren meiner Alma Mater wohl davon halten?

Der Central Business District - viel wilde Architektur, viel grosses - da kann man doch noch mehr draus machen (so mit Licht und so...)

Man kann - Anfahrt auf Guomao von Westen her (die Lichter können einzeln an- und ausgemacht werden)

Guomao von oben - hinten rechts mein alter Freund, der neue CCTV Tower. Architekt Rem Koolhaas (hab mir ein Buch gekauft, den auch werden die Architekten nicht erwähnt...)

Und hier noch was nettes: Der Chinese Ethnic Culture Park (China in klein) als Modell im Modell...

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