Montag, 4. Mai 2009

Reise nach Fujian: Teil I, so eine Art Einleitung

Wie der gewiefte Leser dem Titel (oder meiner Ankündigung letzte Woche) sicher schon entnommen hat, war ich übers Maiwochenende mal wieder unterwegs, und zwar im Süden von Fujian. Fujian ist die Küstenprovinz gegenüber von Taiwan und was die Entwicklung angeht auch ein Abbild von China als Ganzem: Aufstrebende Städte an der Küste, Landwirtschaft wie vor Hunderten von Jahren im bergigen Landesinneren.
Donnerstag Abend sind wir (Nicole, Reini und ich) also von Beijing nach Xiamen geflogen. Xiamen war früher im Westen auch mal als Amoy bekannt und einer der Vertragshäfen, für den sich die Engländer im ersten Opiumkrieg freien Handelszugang erkämpft hatten. Bis heute ist Xiamen kolonial geprägt, vor allem auf der vorgelagerten Insel Gulang Yu, wo die Ausländer damals wohnten. Doch davon sahen wir erstmal nicht so viel, da es schon Abend war, als wir im Millan-Hotel eintrafen (das mit Ausnahme des extra "l" ganz nett ist). Von da machten wir uns auf die Suche nach einem Abendessen und waren erst mal erstaunt, wie weltläufig und belebt die Stadt mit "nur" 600'000 Einwohnern so ist; allerdings scheinen die laowai da ziemlich dünn gesäht, denn so gut wie jeder, der uns sah, hat gleich alle Umstehenden darauf hingewiesen, dass wir Ausländer seien.
Ebenfalls für viel Heiterkeit sorgte die Tatsache, dass die Leute in Fujian (und nicht nur da, in weiten Teilen vom Mandarinsprachigen Südchina), die Retroflexe nicht Aspirieren. Wir hatten ja alle mal gelitten, um den Unterschied zwischen Shi und Si - was in dieser wunderbaren Sprache der Unterschied zwischen Zehn und Vier oder auch zwischen Sein und Sterben sein kann - richtig hinzubekommen, und nun machen die den Unterschied einfach nicht. Was nicht nur für mich klingt, wie wenn einige hundert Millionen Leute kollektiv lispeln würden. Also wirklich lustig, ausser beim Zahlen, wo ich dann nie so genau wusste, wieviel das denn sein soll...
Nach etwas rumspazieren haben wir uns dann ein vorzügliches Essen mit Seafood und Dimsum gegönnt, das Ganze auf einer Dachterasse mit Blick übers Meer und Kurzärmeltemperaturen. Da habe ich dann auch gleich beschlossen, dass das ein gutes Wochenende werden würde.
Die Weinkarte war interessante, wenn auch nicht sehr erhellende Lektüre. Der vage Französisch klingende Wein war leider aus, drum bestellten wir eine Flasche "naked Brley". Das fehlende "a" wurde mit der Flasche gebracht und der Gerstenwein stellte sich als durchaus trinkbar, wenn auch etwas "anders" heraus.
Nach dem Essen stellten wir zu unserem Erstaunen fest, dass in Xiamen die Läden abends bis um elf offen und auch gut besucht sind - in der Beamtenstadt Beijing undenkbar. Vor lauter Schreck kauften wir Hosen, Hemden und Blusen und mussten dann darauf noch kurz was trinken. Dabei begingen wir den Fehler(?) ein paar junge Männer nach einer Bar zu fragen, womit wir dann gleich in einer Strasse voller Riesendiscos endeten. Der Key-Club war zum bersten voll, es spielte eine ziemlich gute Philipino-Band (auch so was tolles in China: Donnerstagabend, diverse Lokale mit 8, 10-Mann Livebands...). Offensichtlich befand sich da auch die Tränke der wenigen Expats, und man konnte sehen, dass das Expat-Leben sie schon ziemlich schwer mitgenommen hatte. Da gab es etwa den Udo Lindenberg von Fujian, eine osteuropäische Kugelstösserin, diverse weisse Anzüge und einiges gruseliges mehr, und bei allen hatte man den Eindruck, sie hätten es auf die kleinen Chinesinnen abgesehen. Wir nicht, stattdessen kehrten wir ins Hotel zurück, um am nächsten Tag ausgeruht in die Welt der Tulou starten zu können.

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