Montag, 12. Januar 2009

Und sie diskutierten in einem fort

Letzte Session unseres halbjährlichen Kollaborationstreffen. Wir sind alle nicht mehr ganz frisch und etwa eine Stunde hinter dem Zeitplan. Bereits hinter uns haben wir die Diskussion über die Energie(n), bei der wir in den nächsten Monaten Daten nehmen werden. Das war etwa eine Stunde wildes verbales Rumfuchteln um sich dann auf einen Kompromiss zu einigen, der von Anfang an in der Luft lag. Über den eigentlichen Skandal (die Zeit, die für Maschienenstudien drauf gehen soll, obwohl es so schlecht nicht läuft) wurde natürlich nicht gesprochen. Im Moment diskutieren wir die Verfahren für Publikationen. Und zwar die Formulierungen im entsprechenden Dokument; besonders schön, weil die Hälfte der Leute die Hälfte der Formulierungen falsch versteht und niemand das Meeting wirklich leitet. Und mein Liebslingsgruppenleiter wärmt noch schlechte Beispiele aus den frühen Neunzigern auf, um uns alle zu ärgern. Heute wirds wohl wirklich spät. Und das wirklich schlimme daran ist, dass in guter alter Tradition alles wirklich strittige auf "further discussion" oder "further study" verschoben wird und dann irgend eine paralelle Leitung unseres Experiments eines Tages aus dem Nichts vollendete Tatsachen schafft und dann alles einfach ist wie es ist. Wenigstens dauert das alles nur zwei Nachmittage im Jahr (weil wir nur 200 Autoren, damit etwa 20 aktive Stürmi sind). Meine Erfahrung mit etwas grösseren Experimenten lässt mich schliessen, dass der prozuentale Anteil der Stürmi in etwa konstant ist und die Dauer der Diskussion in etwa mit der Anzahl der Stürmi im quadrat skaliert. Für die LHC-Experimente mit je rund 2000 Autoren bedeutet das, dass etwa 200 Nachmittage pro Jahr fürs Stürmen draufgehen - was einer der Gründe ist, dass da überhaupt so viele Physiker benötigt werden. Jetzt sind wir zwei Stunden hinter dem Programm und gerade bei meiner Lieblingsstelle angelangt, wo wir schon in Hefei eine Stunde verschmürzelt haben. Und "resolving of disputes" kommt erst noch.
Man soll ja überall was draus lernen, drum hier ein paar gute Vorsätze (erinnert mich daran, bevor ich dagegen verstosse): Ich will nicht Politiker werden. Insbesondere nicht in China. Und ich will nicht zum Stürmi werden (ist das schon zu spät?).

1 Kommentar:

  1. Das klingt ja wirklich alles wie bei H1. Endlose Diskussionen auf irgendwelchen Nebenschauplätzen und wichtige Entscheidungen, die völlig intransparent getroffen werden... Bin halt der Meinung, dass das alte wissenschaftliche System mit den Professoren als völlig autonomen kleinen Königen und einem schwachen Kollaborations-Management ohne wirkliche Macht bei so grossen Kollaborationen nicht mehr funktioniert. Das schreit ja geradezu nach endlosen Diskussionen und der Bildung eines Schatten-Managements...

    Tobi

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