Freitag, 30. Januar 2009

Die Fahne der Freiheit?

In Davos findet wie jedes Jahr das World Econmic Forum (WEF) statt, und wie jedes Jahr gibt es drum herum einiges an Aufregung. In einem Geschäft in Davos hatte die Betreiberin zum Besuch Wen Jiabaos eine Fahne des "freien Tibets" und Schriften des Dalai Lamas ausgelegt. Die Polizei liess die Fahne und auch die Bücher entfernen, die Bücher durften später wieder zurück.
Nun, ich hab hier schon öfters für eine differenzierte Betrachtungsweise der Tibetfrage geworben und vor allem bin ich nicht der Meinung, dass das Aufhängen einer Flagge in Davos etwas zur Lösung beiträgt, aber das ist hier nicht der Punkt. Davos liegt nun mal in der Schweiz und nicht in China und wir haben das Recht, frei unsere Meinung zu äussern, egal ob die nun nett oder richtig ist. Ich weiss, dass ich in Beijing keine Tibet-Flagge in mein Fenster hängen darf - ich bin hier zu Gast und habe das zu akzeptieren. Genauso darf ich in der Schweiz fast jede beliebige Flagge in mein Fenster hängen und Gäste haben das zu akzeptieren. Mir ist bewusst, dass die Chinesischen Offiziellen auch schon sehr gereizt auf Free-Tibet-Demonstrationen in der Schweiz reagiert haben, aber es gibt nun mal eine Demonstrationsfreiheit und die Freiheiten, an die wir glauben, sollten wir auch (und vor allem) gegenüber Staatsgästen vertreten können.
In einem anderen Fall hat das Bezirksgericht Aarau gerade Bussen gegen Mitglieder der PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) bestätigt, weil die in ihrem Parteiprogramm geschrieben hatten, nicht alle Menschen sollten in jedem Land die selben Rechte haben. Das verstösst scheinbar gegen die Antirassismusstrafnorm. Und auch wenn in diesem Fall (im Gegensatz zur Fahne) eine auch vom Volk abgesegnete Gesetzesgrundlage da ist, halte ich auch dies für falsch. Man soll auch das Recht haben, dummes Zeug zu schwätzen - und vor allem soll nicht der Staat entscheiden, was dummes Zeug ist. Nur weil ich mit den "politisch korrekten" öfter übereinstimme als mit den Anhängern der PNOS, so sollen doch nicht jene festlegen dürfen, was diese öffentlich sagen dürfen. Die freie Meinungsäusserung ist ein sehr hohes Gut, was ich gerade auch hier, in Abwesenheit derselben, eindrücklich erfahren habe. Natürlich soll es auch Grenzen geben, etwa bei Beleidigungen und Ehrverletzung, aber braucht es Grenzen, was die Gesinnung angeht? Eine Tibet-Fahne soll man aufhängen dürfen, wie ist es mit einer Südstaaten- (Konföderierten-) Fahne, für viele ein Symbol der Sklaverei? Soll man eine Hakenkreuzfahne ins Schaufenster hängen dürfen? Wieso - oder wieso nicht? Diskussion in den Kommentaren ausdrücklich erwünscht...

3 Kommentare:

  1. Das mit der Tibet Fahne in Davos hat mich auch aufgeregt! Und wie sogar!!!
    Aber die Schweiz kriecht in letzter Zeit ja in viele fremde Ä*****, man denke zB an die USA im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis (ok, da bin ich nicht gerade objektiv).

    Die PNOS ist so eine Sache, einerseits ist das betreffende "rassistische Parteiprogramm" in meinen Augen auch keine eindeutige Verletzung des Antirassismus-Gesetz. Aber dass PNOS Anhänger ein Haufen Oberidioten sind liegt auf der Hand, und somit verdienen sie die Strafe irgendwie schon :-)

    Gute Frage mit der Naziflagge in der Schweiz; in der CH ist diese grundsätzlich (noch) nicht verboten wie in D (§86a StGB). Aber es gäbe bestimmt einen Aufstand der Nachbarschaft, wenn jemand eine nationalsozialistische Flagge auf seinem Balkon hisst. Und wahrscheinlich würde dieser Shithead dann gem. Art. 261bis StGB bestraft werden (Auslegungsspielraum betr. öffentlicher - privater Verwendung).

    ja ja, die schweizer Demokratie mit ihren Grundrechten ist auch nicht mehr das was es eigentlich sein sollte.

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  2. hmmm,
    hier ein bericht aus der praxis:
    also die naziflagge auf dem balkon fällt für mich klar unter den Tatbestand der "diskriminierung durch bild" hier ist mehr das problem, dass die behörden lieber die finger von 261bis lassen, weil der artikel per se sehr umstritten ist.
    der polizist, welcher dann effektif zum "shithead" hinmuss wird dem kerl mit deutlichen worten zu verstehen geben , dass die flagge sofort runter muss und dann zum anzeigenden nachbar hingehen und sagen "problem gelöst, anzeige nicht nötig"
    so funktionierts nämlich normalerweise im rechtstaat schweiz. Die polizei als klassiische anlaufstelle für anzeigen, filtert mehr als die hälfte durch gutes zureden schon wieder raus. (mir bekannter extremfall ist die weigerung eine anzeige entgegenzunehmen)
    Zur grundsätzlichen Diskussion zur RAssismusnorm im Strafgesetzbuch, wens interessiert:http://www.bj.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/gesetzgebung/rassismus.Par.0001.File.tmp/D_Bericht_16-05-07.pdf
    sprengt den rahmen einer blogdiskussion bei weitem.
    zur frage der fahnenschwenker in bern und der fahnenaufhängerin in davos:
    wieder mal ein bisschen praxis: nehmen wir an, ein aktivist, der in bern "kurzzeitig zur überprüfung der identität" in einen kastenwagen verfrachtet wurde will etwas dagegen unternehmen. er macht also eine Beschwerde bei der zuständigen stelle (chef und wahrscheinlich kegelkollege des einsatzleiters)
    der sagt: was wollt ihr, sowas ist erlaubt,feststellung der identität
    rechtsweg danach, zuständige direktion (leute wie stadtrat hügli, wer ihn als politiker kennt weiss schon vieles)
    danach wahrscheinlich regierungsstatthalteramt, danach Verwaltungsgericht, danach bundesgericht. Ihr seht, bis zur ersten echten instanz gehts zirka ein jahr, kosten, wenn man das mit einem anwalt durchzieht ca 5t, nd wofür? festellung, dass die identitätsüberprüfung nicht angemessen war, schadenersatz und genugtuung wenns gut läuft vielleicht 200 fränkli.

    hat da irgendjemand lust, sich bei diesem kosten/nutzen verhältnis zu versuchen?

    aber ne schweinerei ists schon;-)

    christoph

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  3. immerhin!
    http://www.20min.ch/news/schweiz/story/Buendner-Regierung-sagt-sorry--aber-----15093043

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