Donnerstag, 13. November 2008

Nobel

Heute hatten wir ein ausgedehntes Seminar mit gleich zwei Nobelpreisträgern, die sich die Klinke in die Hand gaben. David Gross erhielt 2004 den Nobelpreis für die Entdeckung der asymptotischen Freiheit (besprech ich vielleicht ein andermal) 1973. Martinus Veltman erhielt den Preis 1999 für seine Arbeiten zur Renormierung von Quantenfeldtheorien (darüber werd ich nie schreiben) und der Vorhersage der Masse des Top Quarks, ebenfalls in den 70er Jahren. Für den Rest des Textes gibts Fussnoten für Nichtphysiker(1).

Die beiden Vorträge hätten unterschiedlicher nicht sein können; Gross hatte eine von diesen schicken Mac-Präsentationen, fasste kurz die grossen Erfolge der Teilchenphysik zusammen motivierte dann Supersymmetrie(2) und Stringtheorie(3) (beides wirkte aber auf keinen Fall so zwingend, wie es hätte sein können) um schliesslich eine rosige Zukunft mit vielen Entdeckungen am LHC in Genf und einem tiefen Verständnis der Stringtheorie vorherzusagen. Der einzige kritische Abschnitt war zur Landscape(4) und dem Antrophischen Prinzip(5). Etwas gewagt war auch die Behauptung, dass die String-Theorie das Paradox löst, dass in schwarzen Löchern Information verschwindet (was nach der Quantenmechanik nicht geschehen dürfte) - wie genau das gehen soll hab ich noch nicht verstanden (wenn jemand unter meinen Lesern so schlau ist, soll er Bescheid sagen).

Veltman kam mit einer etwas lieblosen Powerpoint-Präsentation an, um erstmal viel Bekanntes und Anekdotisches aus der Frühzeit der Teilchenphysik zu erzählen, wobei er den Schwerpunkt auf Leute legte, die den Nobelpreis verdient hätten, aber nicht erhielten. Dabei liess er gleich mehrmals fallen, was er von Stringtheorie hält, nämlich gar nicht ("das ist Parapsychologie"). Dann sprang er ziemlich unvermittelt dazu über, einen Rundumschlag ungeheuern Ausmasses gegen die Astrophysiker ganz allgemein zu führen - da sie auch überhaupt nichts dahinter. Dann zeigte er ein vom Hubble-Teleskop aufgenommenes Bild einer Region wo die Astrophysiker Sternentstehung vermuten ("Pillars of Creation") und behauptete, die Astrophysiker würden behaupten, man sähe oben zwei kollidierende Galaxien und unten ein schwarzes Loch. Das sähe man eben gerade nicht. Da hat er recht - es hat es so aber auch niemand behauptet. Dunkle Materie(6) und dunkle Energie(7) seien Erfindungen der Astrophysiker ("they have to make a living and have a good phantasy"). Das war alles etwas gar starker Tobak. Dann meinte er noch, so in fünf, zehn Jahren werde Energie so teuer sein, dass niemand mehr einen neuen Beschleuniger bauen wolle (da könnte er leider recht haben) und wir würden nun mit dem LHC das Ende der Teilchenphysik erleben (das glaub ich eher weniger - man wird Mittel und Wege finden, immer wieder was neues zu lernen).

Alles in allem ein unterhaltsamer, aber nicht besonders tief gehender Vormittag. Für viele der Chinesen muss es wohl ein bisschen ein Schock gewesen sein; hier, wo man sich so gerne auf Autoritäten beruft, wiedersprechen sich zwei der grossen Autoritäten auf unserem Feld diametral - innerhalb des selben Vormittags. Ein durchaus heilsamer Schock, der uns allen lehrt, dass auch Nobelpreisträger irren können. (Und um ganz ehrlich zu sein, dass diese mit dem Alter nicht schlauer, sondern sturer werden: Beide haben in Ihren Vorträgen die Fakten mindestens ein bisschen ins eigene Weltbild zurechtgebogen und anderen Ansichten entweder komplett verschwiegen (Gross) bzw. ohne wissenschaftliche Begründung verworfen (Veltman)). Was bei beiden leider gefehlt hat (und was ich bei Vorträgen von anderen "Grössen" auf meinem Gebiet immer anregend fand), war eine neue Art, ein bekanntes Problem zu betrachten oder eine der grossen offenen Fragen zu stellen
  1. Naturgemäss kann ich kaum tief ins Detail gehen...
  2. Supersymmetrie ist eine Erweiterung unseres Modells von den Elementarteilchen, dass elegant eine Reihe theoretischer Probleme löst, dafür aber die Anzahl der Elementarteilchen verdoppelt - zu jedem bekannten Teilchen gibts einen Superpartner. Diese Superpartner hat noch nie jemand gesehen, sie könnten jedoch beim LHC auftauchen.
  3. Die Stringtheorie beschreibt Teilchen als Schwingungen einer extrem kleinen "Saite", eine Strings. Stringtheorie ist mathematisch elegant und hat den Vorzug, dass die Schwerkraft ganz natürlich vorkommt (was überhaupt nicht selbstverständlich ist). Allerdings ist sie auch nach 40 Jahren mehr oder weniger intensiver Forschung sehr schlecht verstanden, es können damit kaum Vorhersagen für durchführbare Experimente gemacht werden; drum wird von vielen Leuten bestritten, dass es sich dabei noch um Phyisk handelt.
  4. Der aktuelle Stand der Forschung deutet an, dass die Stringtheorie unendlich viele (oder zumindest extrem viele) Lösungen hat, die alle unterschiedliche Naturgesetzte vorhersagen - eine ganze Landschaft von möglichen Universen.
  5. Das Anthropische Prinzip soll das Problem in (4) lösen, in dem gesagt wird, dass unser Universum halbwegs intelligentes Leben hervorgebracht hat, es uns also nicht erstaunen sollte, das wir aus den vielen möglichen Lösungen ausgerechnet eine sehen, wo die Naturgesetzte für intelligentes Leben förderlich sind. Für mich hat das immer so etwas zirkuläres... Und offensichtlich ermöglicht es keine Vorhersagen.
  6. Dunkle Materie wurde schon in den 30er Jahren von Fritz Zwicky (einer der ganz grossen Glarner) vorgeschlagen, weil mit der Gravitation sichtbaren Materie alleine die Bewegung von Sternen nicht erklärt werden kann. Unterdessen wurden viele weitere unterschiedliche Hinweise darauf gefunden, dass wir nur etwa 20% der totalen Materie im Universum sehen können. Was wir nicht wissen, ist woraus die dunkle Materie besteht.
  7. Seit kurzen hat man auch sehr starke Hinweise darauf, dass das Universum nicht nur expandiert, sondern die Expansion auch noch beschleunigt. Diese Beschleunigung wird von der "dunklen Energie" getrieben. Das ist auch schon fast alles, was man zur dunklen Energie mit einiger Gewissheit sagen kann. Der starwarsige Name machts auch nicht besser...

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