Donnerstag, 13. Dezember 2007

Eine Kandidatin mehr als Mandate

Da ich nun mal einen Blog schreibe, und damit regelmässig das grosse, weite Internet mit meinen Gedanken und Meinungen beschicke, werde ich mir erlauben, die Bundesratswahl zu kommentieren, obwohl der Bezug zu meinem Chinaaufenthalt eher schwach ist. Ein Zusammenhang besteht sicher darin - wie Benno so treffend festgestellt hat - dass die Anzahl der Kandidaten ein bisschen grösser war als die Anzahl Mandate. Und dass es eine Partei gibt, die glaubt, alleine das Volk zu vertreten.

Ich persönlich freue mich über den Ausgang der Wahlen und habe das Gefühl, dass jetzt vieles ist, wie es sein sollte; die Schweiz hat nach vie vor eine stark bürgerlich geprägte Regierung, die wenn auch nicht numerisch so doch ideell den Gedanke der Konkordanz verkörpert; alle mehrheitsfähigen Strömungen sind vertreten. Die rechte Opposition; für die Blocher immer stand, ist jetzt dort, wo sie sich selbst hingeredet hat. Die SVP (und auch die SP) hatte die Wahlen vom Oktober zum Referendum über Blocher gemacht. Der Geheimplan war nie Geheim - die Linke hat nie verschwiegen, dass sie Blocher nicht mag. Die Wahlen waren einerseits ein Erfolg für die SVP (nochmals 2% mehr als vier Jahre vorher - entspricht etwa der Zunahme der Rentnerquote), aber man muss auch sehen, dass 70% der Bevölkerung etwas anderes gewählt hatten. Und deutlich mehr Stimmen als die SVP haben die versammelten Anti-Blocher Parteien links der Mitte gesammelt (ob GP, GLP oder SP gibt sich da nicht viel). Damit wurde in der Wahl von gestern tatsächlich der vielbeschworene Volkswillen umgesetzt, wenn auch nicht im Sinne der numerischen Konkordanz (wo die Grünen auch eine Sitz im Bundesrat kriegen sollten.)

Nun ja, verschiedene Stimmen haben sich selbst qualifiziert mit ihren Stimmen zum geschehen:

  • Der Stern hat, wohl wegen einer gewissen Beschränktheit auf das eigene Land, das wesentliche verpasst; Schlagzeile: Die Schweiz hat eine Casanova als Bundeskanzlerin
  • Diverse Vertreter der SVP, mit Volkswillen hier und alles fürs Vaterland da und "Wir gehen in die Opposition, das ist schlecht für die Schweiz, aber gut für die SVP" - wo ist da der Dienst am Land geblieben?
  • Diverse Vertreter der FDP "da hat sich was verändert, dass ist nicht gut" - da kriegt man so eine grossartige Chance, sich mit konstruktiver, bürgerlicher Politik zu profilieren, die eigenen Bundesräte werden mit absoluten Spitzenresultaten gewählt, werden die nächsten beiden Jahre die Eidgenossenschaft präsidieren und was machen unsere Helden? Sie schauen betreten drein und hoffen, dass das alles nicht wahr ist. Jungs, Ihr habt es in der Hand. Es gibt da draussen zwei Bundesräte, die auf Eurer Linie liegen und deren eigene Partei sie nicht mehr will! Die guten alten Zeiten der freisinnigen Mehrheit sind wieder angebrochen. Das ist Eure Chance. Aber bitte mit einem bisschen Schub!
  • Die versammelten Linken habe sich gefreut wie Honingkuchenpferde. Die Stimmung errinerte verdächtig an das bürgerliche Lager nachdem man der SP mal wieder einen "anderen" Bundesrat gewählt hatte. Und sich damit (wie z.B. bei Frau Dreyfus oder Otto Stich) ein riesiges Ei gelegt hatte. Mit Frau Widmer-Schlumpf wird der Bundesrat nicht linker. Aber besser. Drum Hut ab vor all denjenigen, die Anständigkeit vor ihre politischen Steckenpferde stellen. Es wird Zeit, dass sich die anständigen auch rechts der Mitte outen.
  • Und mit dem Thema Anständigkeit wären wir bei noch-Bundesrat Blocher. Die Abschiedsrede hat nochmal bewiesen, dass das Parlament richtg getan hat. Einerseits einmal die Behauptung, er hätte keine Ahnung, weshalb er abgewählt worden sei; man kann zu vielen Punkten geteilter Meinung sein, aber auch Christoph Blocher sollte bewusst sein, dass neben seinen sehr pointierten Positionen vor allem sein Politstil in weiten Kreisen aneckt. Die Schweiz ist kein Familienunternehmen mit einem Patron, sondern eine Konsensdemokratie. Und dass man Untergebene mit Hilfe einer Schmutzkampagne in der Weltwoch absetzt, würde auch in der Wirtschaft als schlechter Stil gelten. Und dann sind da noch die Schäfchen.
    Weiter sehr, sehr unschön war die Behauptung, er hätte während seiner Amtszeit viel "Dreck" unter den Teppich kehren müssen im Namen von Kollegialität und Konkordanz, wo doch Blocher nie zu faul war, laut auszusprechen was er dachte. Und wenn er denn jetzt als Oppositionsführer diesen Dreck hervorkehrt - so muss man daran denken, dass er dafür genauso verantwortlich war.

Die CVP (bis vor kurzem hiess es ja "ach, und dann ist da ja noch die CVP") hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt und gezeigt, dass man, wenn die Fronten genügend verhärtet sind, mit 15% Wählerstimmen den anderen 85% seinen Willen aufzwingen kann. Das sollten sich manche hinter die Ohren schreiben.

In diesem Sinne freue ich mich auf den nächsten Bundesratsbesuch hier in Beijing; da kann (im Gegensatz zum letzten Mal) nicht mehr viel schiefgehen.

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