Freitag, 30. November 2007

Ein Mäuerchen im Hof

Eigentlich wollte ich ja nicht schon wieder auf dem ausgetretenen Pfad der sich berührenden Gegensätze wandeln, sondern meinen geschätzen Lesern eine wichtiges chinesisches Zeichen, nämlich chai, abreissen, vorstellen. So eines ist vor kurzem auf einem Mäuerchen in meinem Hof aufgetaucht (und ist in der Innenstadt auf fast allem, was nicht aus Glas und Stahl ist zu finden). Hier steht es im Zusammenhang mit der Verbreiterung der Yuquan Lu (Jade-Quellen-Strasse). Es besteht also die Möglichkeit, dass es bei mir in naher Zukunft nicht mehr ganz so ruhig ist. Heute Mittag wollte ich also das chai ablichten. Erstmal hab ich noch mien eigenes Haus geknipst, um das hier auch mal zu zeigen:

Die beiden Fenster rechts neben der Tür sind die meinigen. 180 Grad gedreht, sieht man das Mäuerchen mit eingekreistem chai.

Man beachte auch das graue Gebäude rechts im Bild. Dabei handelt es sich um eine Toilette. Während ich herumknipste, kamen aus dem dem meinigen gegenüberliegen Wohnblock (links im Bild angeschnitten) Leute heraus, um die Toilette aufzusuchen. Es besteht als der begründete Verdacht, dass es auf unserem Campus Wohnungen ohne Sanitäranlagen gibt. Bei genauerem hinsehen stellte sich dann auch das Mäuerchen als bewohnt heraus.

Einerseits also meine Wohnung mit eigener Dusche und Teppich und was weiss ich alles und auf der anderen Seite des Hofes Leute ohne Klo und nochmal zehn Meter weiter Leute, die bald gar kein Dach mehr überm Kopf haben. Zwanzig Meter auf die andere Seite gibts auch was neues, nämlich ein Klo für Hunde (ja die armen Viecher müssen auch über den Hof...)

Vom Design her den grünen Kästen in der Schweiz klar überlegen, stellt sich die entscheidende Frage: Wohin damit? In unser tolles Hauptgebäude kann mans ja schlecht mitnehmen.

Donnerstag, 29. November 2007

Zahlen

Die Zahlen waren mit das erste, was ich auf Chinesisch konnte, und noch immer verstehe ich in einer zufällig mitgehörten chinesischen Konversation Personalpronomina (die aber wenn immer möglich weggelassen werden), Zahlen und laowai (wenns um mich geht...). Die richtigen Zahlen spielen eine grosse Rolle - meine Simkarte war günstiger, weil eine 4 (si ist ein homophon zu Tod) drin vorkommt und keine 8 (ba ist - im Kantonesischen mehr als in Mandarin - ein Homophon zu "reich werden"). Drum beginnt die Olympiade ja auch am 8.8.2008 (um welche Zeit kann man sich ja denken...). Simkarten mit Numern, die auf 88 enden, kosten ein vielfaches der normalen. Das Hochhaus, wo ich meine Chinesischstunden nehme, hat keinen 4., keinen 14. und keinen 24. Stock; China ist natürlich nicht alleine mit diesem Aberglauben und nimmt da durchaus auch Rücksicht auf laowais: Es gibt auch keinen 13. Stock. Wie das so mit den 40ern ist, weiss ich noch nicht, ich muss mir mal was richtig hohes suchen. Es ist aber anzunehmen, dass der 100te Stock etwa 80 Stockwerke über Boden liegt.

Bei grossen Zahlen sind wir im Westen auf die durch drei teilbaren Potenzen (wie Benno angemerkt hat, heisst es richtig: "Zahlen mit durch drei teilbarem dekadischem Logarithmus") von 10 fixiert (Tausend, Million, Milliarde...) während in China die durch 4 (hier stand mal 5, was ein Hinweis darauf ist, dass man Nullen, und nicht Ziffern zählen sollte) teilbaren Potenzen (siehe vor-vorletzte Klammer) die Hauptrolle spielen, insbesondere 10'000 ist wichtig (das äquivalent zu "lang lebe ..." ist "10'000 Jahre für ..."). Irgendwie habe ich mich da schnell daran gewöhnt; auf jeden Fall war mir sofort klar, was der eine Doktorand mit "10 w Events" auf seiner Folie meinte, während die Chinesen erst nachfragen mussten, um rauszufinden, dass "w" die Abkürzung für wan - 10'000 - ist.

Montag, 26. November 2007

Schlagzeilen aus der Heimat

Dieses Wochenende wurde in der Schweiz ja mal wieder Demokratie in all ihren Spielformen zelbriert, und das diesmal sogar ganz vernünftig: auch bei meiner Rückkehr werde ich noch in Zürich landen können, die sympatischten Exponenten meiner Lieblingspartei werden weiterhin als 2 unter 200 das einzig wahre Volk vertreten und als Grossvater werde ich meine Enkel mit meinem Wissen über vergangene Fixpunkte wie Mühlehorn, Filzbach und Mitlödi (oder auch Roveredo) unterhalten können. Das aktuelle Geschehen vermag mich durchaus auch über die Distanz zu begeistern, obwohl ich fürchten muss, auch in Zukunft nur passiv daran teilzunehmen, kommuniziert die Gemeinde Unterseen doch per Economy-Post mit mir. Hier zeigt sich der zweischneidige Effekt von nicht komplett durchdachten Sparmassnahmen: Wenn der Brief bei mir eintrifft, ist die Abstimmung schon vorbei und man hätte sich die ganze Aktion sparen können. Aber bisher war es ja auch noch dringend, ich wurde nur aufgefordert, innerhalb der nächsten vier Jahre meine Addresse zu bestätigen.

Wie dem auch sei, eine Schlagzeile hat heute meine besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen:
Die Tigermücke hat die Alpen überwunden - und das um diese Jahreszeit. Einerseits ist es natürlich schön zu wissen, dass man in der Schweiz neben grossen Fragen (Mitlödi!) auch Zeit für Details hat; andrerseits besteht eine gewisse Tendenz, aus Mücken Elefanten zu machen. Ist dies einmal gelungen, denkt man bei der Alpenquerung der Tigermücke auch gleich an Hannibal (wenn auch in umgekehrter Richtung, und selbiger hat (anders als die Mücke, den Aargau verschont)). Nun kann diese Mücke tatsächlich Krankheiten übertragen, ist also im übertragenen Sinne (im übertragenden Sinne?) kein Mückenschiss, allerdings sind die ersten gesichteten Exemplare sauber (wir lassen ja nicht einfach alles aus der EU rein) und es ist auch schon spät im Jahr und die Mücken werden sich nicht mehr vermehren können (auch, weil sie im Aargauer Nebel ihre Geschlechtspartner nicht finden) und nach ihrer grossen alpinistischen Leistung an Erschöpfung und Kälte bitterlich zugrunde gehen. Gut so. Der Bezug zu China ist zwar nicht ganz offensichtlich, aber einfach: da kommt die Tigermücke ursprünglich her.

Jazz

Am Samstag Abend war ich mit ein paar anderen laowais was essen. (Ich habe einen leichten Schreibstau, weil wir diese Woche einen Workshop über charm-Physik haben, und ich daneben noch etwas mit meiner Partialwellengeschichte weitermachen wollte - was es damit auf sich hat und wieso charm etwas mit Quarks (und damit James Joyce) zu tun hat und weshalb bottom und beauty das selbe sind ein andermal). Wir hatten uns in Houhai verabredet, was, wie der Name schon sagt, an einem See liegt (na ja, der Name sagt eigentlich an einem Meer - aber das hat wiedrum mit dem Unterschied zwischen klassischem und normalem Chinesisch zu tun und ist auch eine andere Geschichte. Ich bin einmal rundumspaziert und kann mit Gewissheit sagen, dass es sich um einen See handelt). Um noch etwas mehr abzuschweifen: wie ist das eigentlich, wenn man innerhalb von einem Satz eine Klammer aufmacht und dann darin einen neuen Satz anfängt, ist das einfach nur schlechter Stil oder kommt dann das Punkt am Ende des nächsten Satzes - so dieser mit der Klammer endet - inner- oder ausserhalb der Klammer? (Sollte ich ganz allgemein weniger Klammern verwenden? - leider lässt das Format des Blogs keine Fussnoten zu, in denen man unstrukturierte Gedankenverzweigungen unterbringen könnte.)

Zurück zum, bzw. an den See, um den herum sich in einer Siheyuan(Hofhaus)-geprägten Gegend ein Ausgangsviertel gebildet hat. Das ist schon mal an sich ziemlich hübsch; es gibt eine Menge Restaurants und Bars entlang dem Ufer, entsprechend leuchtet es überall ein wenig übers Wasser. Gerade im Sommer muss das wirklich sehr gemütlich sein (wenn auch etwas voller). Natürlich (?) gibts auch die etwas weniger angenehmen Seiten eines Ausgehviertels - vor fast jeder Bar wird man angehauen und auf das billige Bier (als ob das der Punkt wäre) und auch auf Ladies angesprochen (als wir ein Stück weit geschlechtergetrennt marschierten). Ebenfalls etwas aufdringlich waren die Verkäufer dieser unglaublich starken grünen Laserpointer (Traum jedes Vortragenden...). Nach einem guten Essen (Freitag war aber besser; Qualle in Essig - hen haochi!) haben wir dann das East Shore Jazz Cafe aufgesucht. Der Name sagt eigentlich schon fast alles (na ja, Kaffee haben wir nicht getrunken). Eine wirklich gute chinesische Jazzband hat ein tolles Set abgeliefert und einen sehr netten Abend abgerundet. Mit dem Taxifahrer auf dem Nachhauseweg hab ich eine Weile über die Aussprache von Jade-Quellen-Strasse diskutiert (ja, so exklusiv wohne ich...) und musste ihm am Schluss recht geben (er hatte ja auch das Steuer in der Hand) aber auf jeden Fall wusste er, worum (und wohin) es geht.

Sonntag, 25. November 2007

Ich kann Dich sehen, geschätzter Leser

Nachdem ich mit diesem Blog der Aussenwelt (zumindest dem deutschsprachigen Teil davon), einen (wenn auch von mir bestimmten) Blick in mein Leben erlaube, wollte ich gerne wissen, wer den da so hinschaut. Seit einer Woche läuft auf diesem Blog nun also ein Tool, mit dem ich sehe, wie oft und von wo was gelesen wurde. Immerhin 45 verschiedene IP-Adressen haben in 85 Besuchen 134 Webseiten angeschaut. Und niemand hat einen Kommentar geschrieben, obwohl ich gelegentlich durchaus Kontroverses zum Besten gegeben hatte.

Der beliebteste Beitrag ist der über die Musterwohnung in der Beijing Planning Exhibition. Die mesiten Besucher kommen aus Interlaken und Hamburg (auch nicht soo erstaunlich). Gerne wissen möchte ich, wer die letzten drei Tage von der Uni Zieolona Gora in Polen aus meinen Blog liest? Ebenfalls interessant ist die Analyse der Suchbegriffe bei Google, die auf diesen Blog führen: Mit "Nik in China" war ich wohl gemeint; "Farbige, gestreifte Vorhänge" spielen in meinem Leben zwar durchaus eine Rolle, aber viel neuese zum Thema lernt man hier nicht. Wieso Google schliesslich zum Thema "Wie macht man eine Glocke?" hierhin verlinkt, ist mir etwas schleierhaft. Bei "Olympia Lampe" seh ich den Zusammenhang, kann aber auch kaum helfen. Erstaunlich (und erfreulich) auch das Interesse am Gymnasium Interlaken und Helmut Reichen im Zusammenhang mit China und chinesisch (das alles in einem Satz hilft natürlich, um in im diesem Bereich in Zukunft bei Google weiter nach vorn zu kommen). Ganz allgemein ist es eine interessante Frage, ob man mit dem Einstreuen von beliebten Suchbegriffen von Google wie etwa "Britney Spears", "Pamela Anderson", "Chat", "Games", "mp3" oder "Harry Potter" die Besucherzahl steigern kann - die Auswertung wirds zeigen... Falls ich also in Zukunft zusammenhangslos Namen von leichtbekleideten Quasiberühmtheiten und tollen Dingen, die man mit dem Internet machen kann einstreue, so ist das für die Googlequote (irgendwann kann man dann mit Anzeigen Geld verdienen, um sich z.B. den neuesten Harry Potter zu kaufen, oder Games oder einen mp3 Player - wenn man dann ganz reich ist, wird man auf Parties eingeladen, an denen auch Prominenz, wie z.B. Britney oder Pamela (oder Orland Bloom) - teilnimmt).

Als der Idealist, den ich nun mal vorgebe zu sein, ist es mir aber viel wichtiger, dass die geschätzten Leser zufrieden sind mit diesem Blog - deshalb auch die Bitte um Kommentare - man ist sonst so etwas ab der Welt hier...

Neues von BES III

Ja, von unserem Experiment gibt es auch Neuigkeiten. Zur Zeit wird die Driftkammer verkabelt - irgendwie errinert das Ganze doch stark an die CDA bei H1 in Hamburg...

Hinter der Betonabschirmung laufen unterdessen Maschienenstudien (für Nichtteilcheilchenphysiker: Die Leute, die den Beschleuniger bedienen, versuchen rauszufinden, wie man das macht - indem sie es ausprobieren). Mit 5.2 auf 5.2 mA und der finalen Betafunktion von 1.5 cm am IP hat man unterdessen Lumi gesehen (versuche ich jetz nicht zu übersetzen).

Weil gleichzeitig Beschleunigerbetrieb herrscht und gearbeitet wird, wird auch die Strahlung gemessen. Die bei Dosen unter 0.1 mikroSievert pro Stunde muss man da also 2000 Stunden verbringen, um die Dosis eines Thoraxröntgenbildes zu erhalten. Also alles sicher, ich werde bis auf weiteres nicht im Dunkeln leuchten (und falls doch, wohl eher wegen dem Verzehr einer Qualle oder so).

Beijing kann so schön sein

Beijing kann laut, erschlagend, wild und erschreckend sein, in seinen guten Momenten ist es einfach wunderschön. Gestern Abend hatte ich mich mit ein paar Mitschweizern zum Abendessen am Houhai-See verabredet. Um da hinzukommen, habe ich währen der einbrechenden Dämmerung das Stadtzentrum von Ost nach West entlang der verbotenen Stadt und durch den Beihai-Park durchquert. Beleuchtung und Nebel ergaben eine wundervolle Stimmung.

Dienstag, 20. November 2007

Lesen lernen

Chinesische Zeichen lesen und schreiben lernen ist - wie man sich denken kann - ein eher aufwendiges Unterfangen; wenn ich im bisherigen Tempo weitermache, kann ich so in ca. 8 Jahren Bücher lesen...

Ich muss mich also an kleinen Dingen freuen, und wie das so ist mit den Dingen in China, sie haben zwei Seiten - ein Erfolg ist kein Erfolg oder so. Heute in der Kantine (shitang) fielen mir zwei Zeichen auf, die ich bereits kann - ich konnte endlich den Namen eines Gerichtes lesen. Da stand nämlich yütou und das heisst Fischkopf. War auch das einzige Gericht, wo man der Beschreibung nicht bedurfte, um zu wissen was es ist... Hab mich dann für mein übliches I don't ask - you don't tell Gericht mit irgendwelchen kleinen Fleischstücken entschieden und beschlossen, weiterzulernen.

Lerne von der Brücke

In vielem sind mir die Chinesen haushoch überlegen. Zum Beispiel im Auswendiglernen. Während ich schon mit den paar Beispielsätzen in meinem Chinesischbuch grosse Mühe bekunde, können die meisten meiner Kollegen hier ganze Konversationen auf Englisch auswendig, und Wehe, eine Antwort passt nicht ins Konzept. Ich frage mich natürlich, wie die das hinkriegen - mit Memorisierungstechniken a la Matteo Ricci (erster Jesuit in Beijing um 1600), mit sehr fleissigem Üben oder mit irgend einem Trick? Da ich ja die meisten Zeichen, die da im öffentlichen Raum herumstehen nicht lesen kann, könnte es sein, dass die ganze Stadt ein einziger grosser Spickzettel ist? Möglich ist vieles, und die unten abgebildete Brücke scheint irgend so was zu sein...

Newtons Gravitationsgesetz an einer Brücke - wieso nicht; ohne Gravitation wäre der Brückenbau irgendwie trivial...

Nun ja, für die Formel sollte man eigentlich nicht von einer Brücke ablesen müssen; aber ob jeder der da vorbeikommt sich auch über die Bedeutung des ganzen im klaren ist?

Und zum Abschluss noch die Definition der Ableitung (etwas abgeschnitten, aber sowieso falsch). Da hofft man, Newton hat zum rechnen der Tragkraft ausgereicht...

Montag, 19. November 2007

Musterwohnung

Im vorherigen Beitrag habe ich mich ja lang und breit über die Beijing Planning Exhibition ausgelassen, einen der Höhepunkte aber ausgelassen. Es gibt da auch eine Musterwohnung. Gesponsert von SOHO, einer der ganz grossen Imobilienbuden hier. Ja, die Stadtplanung wird von einer Imobilienfirma gesponsert (Red Bull kann ja nicht alles sponsern - und hat auch nicht so ein grosses Interesse an Beijings Stadtplanung). Die Zusammenarbeit scheint gar nicht so schlecht zu funktionieren; die SOHO Bezirke kombinieren Arbeits- und Wohnraum (Small Office Home Office), das hilft gegen das Verkehrsproblem und die Musterwohnung, na ja, Arne Jacobsen auf Speed oder das SAS Royal in Kopenhagen verheiratet mit Louis Toujours oder vielleicht auch 2001 - A Space Odysse, Tanz der Vampire und Dornröschen im selben (falschen) Film. Doch sehet selbst...

Sonntag, 18. November 2007

Es gibt einen Plan

Heute wollte ich mir die Gegend südlich des Tiananmen-Platzes ansehen, da soll es laut diversen Führen noch Stücke alten Beijings geben. Nun ja, die Qiamen Dajie (Hauptstrasse nach Süden) wird gerade in eine Fussgängerzone umgebaut. An sich ein durchaus löblicher Ansatz. Es soll alles so im Stil vom alten China werden (nur etwas weniger Grau, mehr die Technicolor-Ausgabe) inkl. einer Strassenbahn (was ich nun nicht unbedingt mit China assoziere...). Um also lao Beijing wiederauferstehen zu lassen, muss natürlich irgend etwas weichen; und irgendwer scheint hier ja die die Bauten des sozialistischen Realismus vor allem Unbill zu schützen, es muss also ein Stück lao Beijing weichen. Es tut ja schon weh, mitanzusehen, wie die Siheyuans (Hofhäuser) den Wohnblocks weichen müssen - aber bei 15 Millionen Einwohnern und jeden Tag ein paar Tausend (Zehntausend?) mehr habe ich dafür ein gewisses Verständnis (das Verständnis hat die Form einer Dreizimmerwohnung in einem Wohnblock mit Zentralheizung, Toilette und einigen pseudoantiken Möbeln). Wieso dass man aber alte Häuser abreisst, um sie durch pseudoalte zu ersetzen, übersteigt mein Verständnis. Man ist gerade als Ausländer versucht zu rufen, tut das nicht - und vor allem nicht wegen mir! Und gerade hier läuft man wieder in die Falle der westlichen Selbstüberschätzung - das ganze ist schon auch für Touristen - aber vor allem für die aus China. Ganz abgesehen davon, dass wir Europäer, die wir unsere historischen Innenstädte - sofern noch vorhanden - entvölkert und mit Anwaltskanzleien, Banken und Versicherungen gefüllt haben, nun verlangen, dass man hier ja auch die Leute hundert Meter vom Stadtzentrum wohnen lässt - zu sozialen Mietzinsen natürlich. Es hat also alles iregndwie zwei Seiten, und ich bin sicher, dass das Resultat der Umbauten ziemlich ansprechend sein wird, und ich da auch gerne mal hingehe - nur schon, weil man sich nicht ständig vor dem Überfahrenwerden in acht nehmen muss. Bis zur Olympiade ist ja sicher auch alles fertig.

Alte Siheyuans hinter grauen Mauern

Ein hübscher Bauzaun (man beachte das Ming-Gemälde der alten Hauptstadt oben auf dem Zaun) verdeckt den Abriss dahinter

(Man entschuldige die schlechte Qualität) Zu sehen ist eine Zeichnung wie es werden soll. Der letzte Rest Laub in der Stadt verdeckt die Strassenbahn. Wichtig auch die Olympischen Logos (und die grossen Autos im Vordergrund).

Manchmal fragt man sich ja, ob das ganze einen Sinn ergibt, irgend einem Plan folgt. Die Antwort kann man sich in der Beijing Urban Planning Exhibition (netterweise gleich nebenan) geben lassen. In dieser grossen Ausstellung wird einem der Eindruck geben, dass irgendwer sehr genau weiss, wohin es mit dieser Stadt gehen soll - und das alles schon besser geworden ist, das wirklich grossartige aber noch kommt. Die Probleme (Verkehr, Umweltverschmutzung) werden durchaus nicht verschwiegen, doch auch hier wird alles besser. Als kritischer Naturwissenschaftler ist mir in dem ganzen ja etwas zu viel blaues Neonlicht und Multimedia und beruhigende Stimmen aus dem Off und Musik, die von Hans Zimmer sein könnte. Aber irgendwo zwischen dem grossen Modell der verbotenen Stadt und dem wirklich grossen Modell von Beijing schlug das Kind im Manne zu und ich begann wie wild, Beijing Miniature zu photographieren... Hier also die Stadtführung ohne den Raum zu verlassen.

Die verbotene Stadt in klein. Der Traum jedes Städteplaners: Riesig viel Platz, nur ein Bewohner auf den es ankommt und alles Fussgängerzone. Ach ja, und wie toll das alles geworden wäre, hätten die Qing schon Laser und blaue LEDs gehabt.

Das Herzstück der Sammlung - Beijing in klein (hier die nördliche Hälfte der Stadt)

Man kann den Saal auch verdunkeln und sich Beijing bei Night anschauen

oder sich vorstellen, wie Beijing in Rot (Rotlichtbezirk in der ganzen Stadt? Kulturrevolution? Die Chinesen als erste auf dem Mars?) aussehen würde. Nun zu den Highlights..

Der Westbahnhof. Bei meinem ersten Besuch 1997 gerade fertiggestellt. Schon damals mit einer riesigen U-Bahn Station. Nächstes Jahr dann auch mit U-Bahn Anschluss.

Der geplante Südbahnhof. Auch nicht klein, und da fährt die U-Bahn glaub ich auch schon hin...

Die Gegend um die Seen herum. Das graue Gewusel will uns sagen, dass hier Hutongs und Siheyuans weiterhin ihren Platz haben.

Der Olympiapark. Von den neuen Stadien gibts auch noch grosse Modelle, mit Beleuchtung!

Das National Stadium mit roten LEDs. In der ganzen Ausstellung werden die Namen von ausländischen Architekten nicht ein einziges Mal genannt, obwohl detailliert auf die Designs eingegangen wird. Was die beiden Professoren meiner Alma Mater wohl davon halten?

Der Central Business District - viel wilde Architektur, viel grosses - da kann man doch noch mehr draus machen (so mit Licht und so...)

Man kann - Anfahrt auf Guomao von Westen her (die Lichter können einzeln an- und ausgemacht werden)

Guomao von oben - hinten rechts mein alter Freund, der neue CCTV Tower. Architekt Rem Koolhaas (hab mir ein Buch gekauft, den auch werden die Architekten nicht erwähnt...)

Und hier noch was nettes: Der Chinese Ethnic Culture Park (China in klein) als Modell im Modell...

Heizung zum letzten

Nachdem ich mit meinem wiederholtem Wehklagen über die Heizung (beziehungsweise das Fehlen derselbigen) meine gesamte Verwandschaft in Angst und Schrecken versetzt hatte ("Um Gottes Willen, nicht das der Bub da frieren muss bei den Chinesen") möchte ich jetzt nochmalund definitiv verkünden, dass meine Heizung funktioniert. Wenn die Ventile entweder voll offen oder komplett zu sind, tropft auch nichts. Soweit also so gut - wir alle freuen uns, auch mein alter Spezi Jan Krcmar freut sich mit uns, ich erlaube mir, zu zitieren:


Das freut mich. Ehrlich, das freut mich. Ich habe ja kein direktes Interesse daran, dass Dir kalt ist. Wirklich nicht. Also, kalt soll Dir auf keinen Fall sein. Also, wenn Du micht frugst: "Mensch, Jan, willst Du, dass mir kalt ist?" Da müsste ich fast sagen: "Nein, Niklaus, Manno, dass will ich doch nun auf gar keinen Fall, also dass dir kalt ist," verstehste? Das wäre ja das Allerletzte, wollte ich, dass dem Niklaus, ich meine dem Niklaus, aber hallo, da wäre ich ja kein Mensch, wollte ich, dass dem Niklaus kalt ist. Also so richtig arschkalt, dass seine Finger abfrieren. Da wäre ich ja kein Mensch, das wäre ja im wahrsten Sinne des Wortes unmenschlich.
Weißt Du, etwas Anderes wäre, wenn Du mich frugst: "Mensch, Jan, willst Du, dass mir warm ist?" Das wäre was Anderes, da müsste ich sagen: "Ja, Niklaus, Alter, Kumpel, das will ich, da stimme ich zu, das unterschreibe ich."

Freuen wir uns also auf einen geheizten Winter. Der hat irgendwie auch angefangen. Einerseits ist es (draussen!) ziemlich frisch und andrerseits haben dieses Wochenende, innerhalb von zwei Tagen, sämtliche Bäume die Blätter fallen liessen. Alle noch grün. Drum sind die Einheimischen ja auch so wild darauf, in die Fragrant Hills zu fahren, weil es da rote und gelbe Blätter gibt. In der Stadt selbst geht dafür das Laub einsammeln in einem Aufwasch (na ja fast, gestern wars doch ziemlich windig).

Mittwoch, 14. November 2007

Heizen und so

Auch wenn unterdessen die Hezung manchmal etwas warm ist - abwechselnd zwischen verschiedenen Räumen - so sit es meistens doch eher kühl - auch in der Mensa oder im Büro (da helfen zwar diverse Rechner beim Heizen, aber wenn man, wie Kollege Hu, das Fenster ständig einen Spalt weit offen stehen hat, hilft das natürlich auch nicht viel. Die Erwartung ist allerdings, dass es ab morgen, wo offiziell der Winter (na ja zumindest die Heizperiode) beginnt, deutlich besser wir - wenn nicht gar stickig heiss, so dass man dann tatsächlich die Fenster offen halten muss. Das Wetter ist so richtig mies, kalt und Nieselregen (das hab ich davon, im Blog zu schreiben es würde bis im Frühjahr keinen Regen geben...) - die Heizung ist wirlich ein Thema, so sehr, dass sich sogar der Spiegel darum kümmert.

Sonntag, 11. November 2007

Museumswetter

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, am nächsten Wochenende mit Regen ins Museum zu gehen. Nun ist Beijing wirklich sehr trocken und es kann problemlos Weihnachten werden ohne einen nassen Samstag oder Sonntag. Da habe ich pragmatisch "schlechtes Wetter" umdefiniert in Sichtweite unter einem Kilometer (war ganz klar der Fall heute, folgendes Bild zeigt die Sonne, Nachmittags um drei...).

So bin ich also ins ziemlich neue Capital Museum gefahren, habe die Architektur bewundert und mir Artefakte aus einigen Tausend Jahren chinesischer Kultur angeschaut. Das Museum ist ein ziemlich grosser, ziemlich leerer Quader, in dem ein schiefer Bronzezylinder und eine Holzbox die Ausstellungsräume beherbergen. Wirklich gelungen (im Gegensatz zu meinen Bildern - es hatte nicht wirklich genug Licht).

Im Bronzezylinder finden sich alte bis sehr alte Gemälde, Kalligraphien (erstaunlich, wie die auch wirken, ohne dass man viel lesen kann), Bronzegefässe, Jadeschnitzereien sowie die Treasures of the Study, Pinsel, Tinte (in fester Form) und der Tintenstein. Alles von ausgesuchter Eleganz und gut präsentiert, wenn auch die englischen Erklärungen manchmal irgendwie etwas schmal sind (The styles of Ming paintings can be divided into early Ming, middle Ming and late Ming - und dann nix weiter). Es erstaunt schon immer wieder, was China alles hervorgebracht hat, und auch wie weit es Europa für Jahrtausende voraus war.

Auf der anderen Seite des Museums wird die Geschichte Beijings mit Hilfe von Artefakten erzählt, wobei das ganze bis etwa zur japanischen Invasion sehr detailliert ist und mit vielen Artefakten untermauert. Zweiter Weltkrieg und Bürgerkrieg werden etwas weniger detailliert abgehandelt - zu gross ist hier die Diskrepanz zwischen offizieller Geschichtsschreibung und dem was war. Abgeschlossen wird dieser Teil von einer Videoinstallation mit originalem Mikrophon, flankiert von Kanonen, zur Verkündung der Volksrepublik am 1. Oktober 1949.

Im weiteren werden Details der Beijing-typischen Architektur vorgestellt und dabei die Hutongs glorifiziert (die man in den letzten 30 Jahren quasi samt und sonders dem Erdboden gleich gemacht hat). Es ist allgemein auffallend, dass die Zerstörung des alten Sommerpalastes (durch Engländer und Franzosen im Opiumkrieg) wieder und wieder erwähnt wird; weshalb der ganze Rest vom alten Beijing nicht mehr da ist, bleibt verschwiegen; obwohl es zum Teil gute Gründe gibt: 12 Millionen Einwohner kann man nicht alle in einstöckigen Häusern unterbringen; eine Stadtmauer, die die Stadt nicht mehr begrenzt ist vor allem ein Verkehrshindernis usw..

Ungewohnt und etwas verwunderlich war die geringe Anzahl der Besucher - es herrschte eine ruhige Museumsatmosphäre, oft war ich alleine in einem Raum. Die Sicherheitsmassnahmen können es kaum sein, die die Leute abschrecken (am Eingang steht ein Röntgenscanner für Gepäck und eine von diesen Metalldetektortüren - ausser dem Förderband des Scanners war jedoch offensichtlich nix eingeschaltet). Wie dem auch sei, alles in allem ein sehr lohnenswertes Ziel, für alle die, die mich mal besuchen kommen.

Samstag, 10. November 2007

Architektour

Heute zur Abwechslung mal wieder etwas Bilderlastiger: Eine Architektur-Tour durch den Central Business District - alles keine 25 min zu Fuss auseinander. Manches ist echt gelungen, bei anderen Dingen fragt man sich ein bisschen: Wieso Überdacht man in einer Stadt, in der es so gut wie nie regnet ein halbes Quartier lässt aber die Seiten für Wind und Sandsturm offen?

Und wieso ist der Riesenscreen an der Decke? Ersatz für den Himmel? Und weshalb nicht einfach modern, statt mit Versaillesbrunnen und da und dort noch ein bisschen dorisch und ionisch?

Es ist ziemlich schwierig, ein Bild ohne Kran hinzukriegen... Das Ding mit den Kränen im Hintergrund ist auch ziemlich spannend

Wo viel gebaut wird, stehen nachher viele Häuser...

Zwischendurch darfs auch mal etwas mehr Glas sein.

Auch Turm 3 vom World Trade Center wird eines Tages in Glas gehüllt sein

Entlang der Hauptstrasse (Chang'an) ist steht auch schon einiges, zum Teil riesige Dinger. Die Beiden haben irgendwie etwas von Kaminen

Die Soho-Hochhäuser, etwas schlanker

Guomao - die Hyper-Kreuzung, wo ich auch schon mal fast von einem Pferdekarren umgekarrt worden wäre.

Hier wieder das schiefe Ding, diesmal aus einer anderen Perspektive. Ich erinnere mich dumpf, davon mal Pläne gesehen zu haben; das soll ziemlich überhängend werden. Kurz gegoogelt und geklaut: Das wird das neue Hauptquartier von CCTV (dem hiesigen Leutschenbach). Irgendwie stell ich mir das so statisch noch schwierig vor, vor allem so lange noch nix verbunden ist oben. Mehr und besser Bilder vom Bau findet man z.B. auf Dutchtoms Flickr Site.

Und hier zum Schluss nochmals zwei fertiggestellte Gebäude, etwas weiter nach Osten (da wo es den Nespresso gibt).